Autor(en):
Hanci H*, Turedi S, Topal Z, Mercantepe T, Bozkurt I, Kaya H, Ersoz S, Unal B, Odaci E.
* Department of Histology and Embryology, Faculty of Medicine, Karadeniz Technical University , Trabzon.
Türkei
Veröffentlicht in:
Biotech Histochem 2015; 90 (7): 535–543
Veröffentlicht: Januar 2015
auf EMF:data seit 03.06.2017
Weitere Veröffentlichungen:
Schlagwörter zu dieser Studie:
Milz  |  Wirkung auf den Embryo/Fötus  |  Immunsystem
Medizinische/biologische Studien
zur EMF:data Auswertung

Kann ein pränatal einwirkendes 900-MHz-Feld die Morphologie der Milz und des Thymus beeinflussen und Biomarker für oxidativen Schaden bei 21 Tage alten männlichen Ratten verändern?

Can prenatal exposure to a 900 MHz electromagnetic field affect the morphology of the spleen and thymus, and alter biomarkers of oxidative damage in 21-day-old male rats?

Original Abstract

Quelle: PubMed
Exposition:

900 MHz
13,77 V/m, 0,50 W/m², Ganzkörper-SAR = 0,025 W/kg

EMF:data Auswertung

Einleitung

Der Thymus ist ein primäres lymphatisches Organ, in dem sich die Immunzellen T- und B-Lymphozyten entwickeln und diversifizieren, während die Milz ein sekundäres lymphatisches Organ ist, in dem T- und B-Lymphozyten reifen und zirkulieren. Man betrachtet die Milz als ein biologisches Sieb. In der Milz wird die zelluläre und humorale Abwehr gegen Infektionen herausgebildet (weiße Blutkörperchen und z. B. gelöste Antikörper im Blut). Die Entwicklung des Immunsystems beginnt im frühen Stadium der Embryogenese und geht weiter während der pränatalen Zeit mit Bildung, Wanderung und Differenzierung der Blutzellen. Diese frühen Stadien sind empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen, z. B. Drogen, Industrieabfällen, Pestiziden und auch Strahlung. Wenn schädliche Einwirkungen die Entwicklung von Thymus und Milz beeinträchtigen, wird die Entwicklung des Immunsystems gestört. Bisher ist noch nie untersucht worden, wie sich 900-MHz-Strahlung, die im Mutterleib auf Mutter und Nachkommen einwirkt, auf die Nachkommen nach der Geburt auswirkt. Vor allem oxidativer Stress und Veränderungen des Antioxidationssystems sind häufig in vielen Geweben nachgewiesen worden, deshalb sollten diese Parameter untersucht werden.

Quelle: ElektrosmogReport April 2016

Studiendesign und Durchführung

Weibliche trächtige Ratten wurden vom Tag 13–21 je 1 Stunde/Tag mit 900 MHz bestrahlt (13,77 V/m, 0,50 W/m2, Ganzkörper-SAR 0,025 W/kg), danach wurden von den männlichen Nachkommen 2 Gruppen zu je 6 Tieren gebildet (Kontrolle und bestrahlte Gruppe). Die Jungen bekamen keine Behandlung mehr, sie wuchsen bei ihren Müttern auf. Am Tag 21 nach der Geburt wurden den Jungen Thymus und Milz entnommen, ein Teil im Licht- und Elektronenmikroskop histopathologisch untersucht, der andere für biochemische Tests aufbereitet.

Ergebnisse

Im Lichtmikroskop sahen die Thymuszellen der EMF-Gruppe krebsähnlich aus, die Kontrollzellen waren nor-mal. In der Milz sah man in der EMF-Gruppe Megakaryozyten, erythroide und lymphoide Zellen (Vorläuferzellen der Blutplättchen, der roten bzw. weißen Blutkörperchen im Knochenmark), das lässt vermuten, dass die Blutzellen außerhalb des Knochenmarks entstanden waren (extramedulläre Hämatopoese). Das ist beim Fetus normal, später krankhaft und kann in Milz, Leber und Haut stattfinden, bei „Blutkrebs“ oder anderer Schädigung des Knochenmarks, z. B. durch Chemikalien. Im Elektronenmikroskop sah man im Thymus in der Kontrollgruppe normale Morphologie einschließlich der Epithelzellen und Lymphozyten. Die Epithelzellen hatten normale Zellkerne, Mitochondrien und endoplasmatisches Retikulum. In der EMF-Gruppe sah man degenerierte Thymuszellen, erhöhte Mitoseaktivität in den Lymphozyten und Epithelzellen. In der EMF-Gruppe kam es zu nekrotischen Lymphozyten und Epithelzellen im Thymus, Mitochondriendegeneration und Vakuolisierung. Vakuolen verschiedener Größe waren überall im Zytoplasma der Thymusepithelzellen zu sehen. Dazu waren die Keratinfasern spärlich und in Bündeln angeordnet und es gab eine große Anzahl Ribosomen. In der Milz zeigte die Kontrollgruppe typische Retikulozyten, basophile Granulozyten und normale weiße Pulpa-Strukturen, normale Zellkerne, Mitochondrien und endoplasmatisches Retikulum in den Retikulozyten und Lymphozyten hatten normale Kerne. In der roten Pulpa waren die Zellen und Organstrukturen normal. Im Unterschied dazu traten in der EMF-Gruppe Mitochondriendegeneration und Vakuolen in nekroti-schen Retikulozyten mit Verlust von Zytoplasma im Milzgewebe auf. Auch hier waren Vakuolen verschiedener Größe in den Lymphozyten zu sehen. In den Granulozyten gab es Zytoplasmaverlust, Vakuolen, Zisternenerweiterung im endoplasmatischen Retikulum und Golgi-Komplex, degenerierte basophile Granula und Vakuolen in den Mitochondrien in den basophilen Granulozyten, dazu nekrotische Epithelzellen. Die biochemische Analyse ergab im Thymus, dass in der EMF-Gruppe das Abbauprodukt der Lipidperoxidation MDA signifikant erhöht (2,02 zu 2,87 nmol/mg Gewebe) und das Antioxidans GSH signifikant vermindert war (0,96 zu 0,43 nmol/mg Gewebe). Das Enzym SOD unterschied sich nicht-signifikant von der Kontrolle (1,6 zu 1,7 mmol/min/mg Gewebe). In der Milz waren MDA und GSH signifikant erhöht gegenüber der Kontrolle (5,96 zu 6,66 nmol/mg Gewebe bzw. 0,39 zu 0,92 nmol/mg Gewebe), SOD signifikant niedriger (1,96 zu 1,87).

Schlussfolgerungen

Pränatale 900-MHz-Bestrahlung kann bei 21 Tage alten männlichen Ratten zu verschiedenen krankhaften Veränderungen in Thymus und Milz führen. Die Wirkung der Strahlung ist nicht nur von Frequenz, Dauer und Intensität abhängig, sondern auch vom biologischen Stadium der Zellen, also dem Zeitpunkt in der Entwicklung. Die Wirkung der Strahlung kann reversibel oder irreversibel sein und kann Auswirkungen im erwachsenen Organismus haben. Wenn in der vorgeburtlichen Entwicklung Thymus und Milz geschädigt werden, können T-Zell-abhängige Reaktionen beim Erwachsenen gefährdet sein.