Autor(en):
de Melo DR*, Acosta-Avalos D.
* Centro Brasileiro de Pesquisas Físicas, CBPF, Rio de Janeiro.
Brasilien
Veröffentlicht in:
Antonie Van Leeuwenhoek 2017; 110 (2): 177-186
Veröffentlicht: 01.02.2017
auf EMF:data seit 13.07.2018
Weitere Veröffentlichungen:
Schlagwörter zu dieser Studie:
Auditives System (Sinnessystem)
Medizinische/biologische Studien
zur EMF:data Auswertung

Lichtwirkungen auf den vielzelligen magnetotaktischen Prokaryoten Candidatus Magnetoglobus multicellularis werden durch Hochfrequenzfelder gelöscht: die Beteiligung von Radikalpaar-Mechanismen.

Light effects on the multicellular magnetotactic prokaryote ‘Candidatus Magnetoglobus multicellularis’ are cancelled by radiofrequency fields: the involvement of radical pair mechanisms.

Original Abstract

Exposition:

Magnetfeld der Erde
EMF allgemein
zusätzliche HF-Magnetfelder: 0,16 mT bei 4,4 MHz bzw. 2,66 mT bei 74,5 MHz
Lichtstärke: 110 µW für alle Wellenlängen

EMF:data Auswertung

Einleitung

Mehrzellige Magnetotaktische Prokaryonten (Multicellular Magnetotactic Prokaryotes, MMP) sind Ansammlungen von etwa 20 kugeligen, spiralig angeordneten Mikroorganismen. Jede Zelle enthält hauptsächlich Greigit, ein stark magnetisches Eisensulfit-Mineral. Die MMPs Candidatus Magnetoglobus multicellularis (CMm) bewegen sich im Licht unterschiedlich, abhängige von Wellenlänge und Stärke des Magnetfeldes mit verschiedenen Reaktionen (magnetabhängige Photokinese). Im Grünlicht bewegen sie sich langsamer, im Rotlicht schneller im Vergleich zur Bewegung in Blau- und Weißlicht. Das geschieht bei niedriger Lichtintensität von 0,4–3,7 W/m2. Bei höheren Lichtintensitäten beobachtet man verschiedene Wirkungen wie Vermeidung von starkem UV-Licht und geringe Aktivität oder Tod bei Grünlicht. Die beteiligten Chromophore sind nicht bekannt. Ähnlich verhalten sich mehrere Tierarten bei Magnetorientierung und Lichtabsorption, vor allem Vögel. Man bezeichnet dies als lichtabhängige Magnetorezeption. Molekülpaare reagieren nach Lichtabsorption mit Radikalpaarbildung im Singulettzustand, der durch ein externes Magnetfeld den Spinzustand des Radikalpaars verändert werden kann und es entsteht der Triplettzustand. Je nach Zerfallsrate der Singulett- bzw. Triplett-Radikalpaare können Tiere die Richtung des Erdmagnetfeldes erkennen. Das Magnetfeld reagiert mit dem Spin des ungepaarten Elektrons im Radikalmolekül, wodurch das System neue Energie zugeführt bekommt. Zurzeit ist nur ein Chromophor bekannt, der für das Erdmagnetfeld empfänglich ist, das Cryptochrom. Es ist ein Protein, das mit UV-, Blau- und Grünlicht reagiert, nicht aber auf Gelb- und Rotlicht. Bei Tieren sind durch das Photorezeptormolekül Cryptochrom, das Blaulicht absorbiert und am Tag-Nacht-Rhythmus beteiligt ist, Radikalpaarmechanismen (RPM) mit Magnetorezeption verbunden.

Die magnetotaktischen Mikroorganismen ändern ihre Schwimmrichtung bei Änderung der lokalen Magnetfeldrichtung, ein Kennzeichen für magnetotaktische Bakterien und MMPs. Die Wirkung des Magnetfelds kann durch die Anwesenheit eines elektromagnetischen Feldes im HF-Bereich aufgehoben werden. Diese Arbeit gibt Hinweise, dass in die lichtabhängige Photokinese von CMm Radikalpaare involviert sind und dass die Schwimmrichtung vom HF-Feld beeinflusst wird.

Quelle: ElektrosmogReport April 2017

Studiendesign und Durchführung

Das Experiment besteht in der Aufzeichnung der Bewegung (Geschwindigkeit und Richtung) unter Belichtung mit monochromatischem Licht (blau, rot und grün) mit einer Digitalkamera, mit und ohne zusätzliche HF-Feldeinwirkung. Die zusätzlichen HF-Magnetfelder betrugen 0,16 mT bei 4,4 MHz bzw. 2,66 mT bei 74,5 MHz, die Lichtstärke 110 µW für alle Wellenlängen. Bestimmt wurden die durchschnittliche Geschwindigkeit und der Winkel der Schwimmrichtung relativ zur Magnetfeldrichtung.

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen, dass die Geschwindigkeit im Rotlicht höher ist als im Mikroskoplicht und dass das HF-Feld die Geschwindigkeit in beiden Fällen umgekehrt: im Rotlicht wird die Geschwindigkeit vermindert und im Mikroskoplicht gesteigert. Rotlicht erzeugt höhere und Grünlicht niedrigere Geschwindigkeiten als Blaulicht, das als Kontrolle diente. Die HF-Strahlung hatte keine Wirkung auf die Geschwindigkeit bei Blaulicht. Bei Rotlicht hatte die geringe HF-Intensität (0,16 mT bei 4,4 MHz) nur eine Wirkung auf die Geschwindigkeit der Zellen, bei Grünlicht sah man verschiedene Reaktionen: die geringere HF-Intensität steigerte, die höhere verminderte die Geschwindigkeit. In den Prokaryonten Candidatus Magnetoglobus multicellularis (CMm) wurde gezeigt, dass verschiedene Lichtfrequenzen Bewegungsgeschwindigkeit und -richtung beeinflussen. Durch zusätzliche Hochfrequenzfelder wird diese Wirkung verändert.

Schlussfolgerungen

Magnetotaxis ist definiert als die Fähigkeit von Mikroorganismen, in eine bestimmte Richtung bezogen auf das Magnetfeld zu schwimmen. Also ändern sie ihre Richtung, wenn die Magnetfeld-Richtung sich ändert. Aus den Ergebnissen kann man schließen, dass die Wirkung von Grün- und Rotlicht auf die Schwimm-Geschwindigkeit durch HF-Felder mit Radikalpaarmechanismen (RPM) verbunden sind. Hinzu kommt ein anderes Verhalten, das nicht mit Magnetotaxis zusammenhängt, sondern mit der Wahrnehmung der Magnetfeldrichtung. Die Richtungswahrnehmung wurde nur beeinflusst, wenn gleichzeitige Rotlicht und die hohen HF-Magnetfelder einwirkten. In diesem Fall ist die Schwimmrichtung anders ausgerichtet als das Magnetfeld, was bedeutet, dass die Radikalpaarmechanismen unter Rotlichtabsorption an der Wahrnehmung der Magnetfeld-Richtung beteiligt sind. Man kann postulieren, dass die verantwortlichen Photomoleküle für Rotlichtabsorption irgendwie an die Magnetosomkette gekoppelt sind und deren Funktion ist die Wahrnehmung der Magnetfeldrichtung, durch die dann das magnetische Drehmoment an das Flagellensystem weitergegeben wird.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es einen aktiven Mechanismus geben muss, um die Richtung des Erdmagnetfelds wahrzunehmen, weil das magnetische Drehmoment nicht groß genug ist, um die Schwimmrichtung am Erdmagnetfeld auszurichten. Es bleibt unklar, welcher Chromophor für den Radikalpaarmechanismus verantwortlich ist. Es könnten zwei verschiedene Photomoleküle mit verschiedenen Funktionen sein, eines absorbiert grünes und eines rotes Licht. Wenn Rotlicht einwirkt, können möglicherweise zwei Ausrichtungsmechanismen während des Schwimmens stattfinden: ein passiver durch das magnetische Drehmoment und ein aktiver durch RPM, wenn zu dem Rotlicht noch HF-Felder einwirken. Die Frage ist, warum die Zellen für Rotlicht empfänglich sind, da dieses in einer marinen Umgebung nur wenige Meter unter die Wasseroberfläche gelangt. In Sedimenten sind MMPs mehr Grün- und Blaulicht ausgesetzt. Vielleicht sind die gefundenen Wirkungen nur Laborergebnisse. Sie können aufklären helfen, welche Moleküle bei der Wahrnehmung der Magnetfeldrichtung beteiligt sind. Die Ergebnisse sprechen gegen Cryptochrom als Empfängermolekül für RPM in den CMm-Zellen, weil bei Blaulicht zusammen mit HF-Feldern keine Wirkung sichtbar war und Cryptochrom kein Rotlicht absorbiert.

Die Studie gibt Hinweise, dass an lichtabhängiger Photokinese in Candidatus Magnetoglobus multicellularis Radikalpaarbildung beteiligt ist. Cryptochrom als bekanntes Empfängermolekül ist nicht am Radikalpaarmechanismus beteiligt, vielleicht zwei andere noch zu bestimmende Chromophore.