Eine italienische Forschergruppe untersuchte den Einfluss einer Hochspannungsleitung auf verschiedene Biomarker bei Jungbienen und Arbeiterbienen im Vergleich zu Kontrollen in intaktem Umfeld und solchen an einem Standort mit Pestizidbelastung. In vielen Ländern ist das Bienensterben zu einem Problem geworden. Seit Ende der 90er Jahre ist das sogenannte „Colony Collapse Disorder“ beschrieben – der spontane Verlust der Sammlerinnen eines Bienenstocks, der zum Kollaps der Kolonie führt; betroffen sind besonders Europa und die USA. Die Ursache des Bienensterbens ist bislang unklar, und es ist oft nicht möglich, einen einzelnen Faktor als Auslöser zu isolieren (z.B. Varroamilben), sondern es scheint meist durch kumulierte Wirkung mehrerer schädlicher Einflüsse bedingt zu sein – mangelhafte Ernährung, Varroa, Viren, Pestizidrückstände – z.B. von Neonicotinoiden – und andere toxische Stoffe. Menschengemachte elektromagnetische Felder kommen auch als potenzieller schädlicher Einfluss in Frage, sind jedoch wesentlich weniger gut untersucht als Pestizide.
Untersucht wurden verschiedene Biomarker bei (jungen) im Stock verbleibenden Arbeiterinnen und (älteren) futtersuchenden Arbeiterbienen, deren Bienenstöcke sich an einem “natürlichen” Standort (Kontrolle) und an zwei “Stress”-Standorten (Exposition gegenüber 132-kV-Hochspannungsleitung oder Pestiziden) befanden. Es wurden drei Bienenstöcke pro Standort verwendet; während 5 Monaten wurden monatlich einmal pro Bienenstock 20 junge und 20 ältere Arbeiterinnen entnommen und im Labor untersucht. Vier Biomarker wurden gemessen: Acetylcholinesterase, das Enzym was die Menge an Acetylcholin reguliert, einem essentiellen Neurotransmitter; Catalase, ein Enzym, das Wasserstoffperoxid abbaut in Wasser und Sauerstoff (antioxidative Wirkung); Glutathion-S-Transferase, ein Phase-II-Entgiftungsenzym (Detox-Wirkung), sowie alkalische Phosphatase, ein intrazelluläres Verdauungsenzym. Die Biomarkerwerte wurden log-transformiert und mittels GLM analysiert.
Das Magnetfeld an den Bienenstöcken, die neben einer 132-kV-Hochspannungsleitung standen, betrug durchschnittlich etwa 0,42 μT. Im Umkreis der Bienenstöcke am Pestizidstandort, in Flugdistanz der Bienen, ist die Verwendung von 14 Fungiziden und 12 Insektiziden dokumentiert. Biomarker der Kontrollen wiesen einen jahreszeitlich bedingten Abfall der Enzymaktivität vor, zwischen der ersten Probennahme im März und der letzten im Oktober. Die Menge an Biomarkerenzymen war meistens recht ähnlich zwischen Kontrollen und Pestizid-belasteten Bienen, währenddessen die Werte der Elektrosmog-belasteten Bienen deutlicher abwichen – entweder deutlich reduziert, so z.B. Acetylcholinesterase bei den Sammlerinnen im Juni (die Autoren führen dies auf unbeabsichtigte Kontaminierung mit Pestiziden zurück), oder deutlich erhöht. Die Werte aller vier Biomarker sind auffällig erhöht für den Monat Oktober (letzte Messung), was auf eine allgemein stimulierende Wirkung von Hochspannung hindeutet. Dies ist problematisch, da Bienen ihren Stoffwechsel im Winter stark reduzieren müssen, um Energie zu sparen. Zwei von insgesamt zwölf Bienenstöcken haben den Winter nicht überlebt, einer aus der Pestizid-Gruppe, der andere aus der Hochspannungs-Gruppe.
Ein recht schwaches Magnetfeld (0,42 μT) einer Hochspannungsleitung scheint imstande zu sein, Biomarker der allgemeinen Fitness bei Honigbienen stärker zu beeinträchtigen als die indirekte Exposition mit Pestiziden. Zu Ende der Bienensaison, im Oktober, war eine deutliche Erhöhung der Enzymaktivität – und somit des Stoffwechsels – gegenüber Kontrollen und Pestizid-belasteten Bienen vorhanden. Erhöhter Stoffwechsel, resp. Hyperaktivität in überwinternden Bienen (wie schon 1981 von Greenberg beobachtet) sind ein Risikofaktor, der in weiteren Experimenten näher auf seine Auswirkungen hin untersucht werden sollte. (AT)