Autor(en):
Kim JH*, Chung KH, Hwang YR, Park HR, Kim HJ, Kim HG, Kim HR.
* Department of Pharmacology, College of Medicine, Dankook University, Cheonan 31116.
Südkorea
Veröffentlicht in:
Int J Mol Sci 2021; 22 (10): 5340
Veröffentlicht: 19.05.2021
auf EMF:data seit 20.09.2021
Weitere Veröffentlichungen: Studie gefördert durch:

Basic Science Research Program through the National Research Foundation of Korea (NRF) (NRF-2018R1A6A3A01011474, NRF-2019R1I1A1A01041007 to J.H.K. and NRF-2019R1A2C1085129 to H.R.K.).

Schlagwörter zu dieser Studie:
Gedächtnis, Lernen, Verhalten
Medizinische/biologische Studien
zur EMF:data Auswertung

HF-EMF-Belastung verändert die postsynaptische Struktur und behindert das Wachstum von Neuriten in sich entwickelnden Hippocampus-Neuronen von neugeborenen Mäusen.

Exposure to RF-EMF alters postsynaptic structure and hinders neurite outgrowth in developing hippocampal neurons of early postnatal mice.

Original Abstract

Exposure to radiofrequency electromagnetic fields (RF-EMFs) has increased rapidly in children, but information on the effects of RF-EMF exposure to the central nervous system in children is limited. In this study, pups and dams were exposed to whole-body RF-EMF at 4.0 W/kg specific absorption rate (SAR) for 5 h per day for 4 weeks (from postnatal day (P) 1 to P28). The effects of RF-EMF exposure on neurons were evaluated by using both pups’ hippocampus and primary cultured hippocampal neurons. The total number of dendritic spines showed statistically significant decreases in the dentate gyrus (DG) but was not altered in the cornu ammonis (CA1) in hippocampal neurons. In particular, the number of mushroom-type dendritic spines showed statistically significant decreases in the CA1 and DG. The expression of glutamate receptors was decreased in mushroomtype
dendritic spines in the CA1 and DG of hippocampal neurons following RF-EMF exposure. The expression of brain-derived neurotrophic factor (BDNF) in the CA1 and DG was significantly lower statistically in RF-EMF-exposed mice. The number of post-synaptic density protein 95 (PSD95) puncta gradually increased over time but was significantly decreased statistically at days in vitro (DIV) 5, 7, and 9 following RF-EMF exposure. Decreased BDNF expression was restricted to the soma and was not observed in neurites of hippocampal neurons following RF-EMF exposure. The length of neurite outgrowth and number of branches showed statistically significant decreases, but no changes in the soma size of hippocampal neurons were observed. Further, the memory index showed statistically significant decreases in RF-EMF-exposed mice, suggesting that decreased synaptic density following RF-EMF exposure at early developmental stages may affect memory function. Collectively, these data suggest that hindered neuronal outgrowth following RF-EMF exposure may decrease overall synaptic density during early neurite development of hippocampal neurons.

Keywords

RF-EMF | hippocampus | dendritic spine | neurite outgrowth | glutamate receptor | neuron

Exposition:

HF/Mikrowellen (1 - 300 GHz)
1710-1785 MHz und 1805-1880 MHz
SAR = 4 W/kg

EMF:data Auswertung

Einleitung

Da die Nutzung von Mobiltelefonen in der Regel einen engen Kontakt zum Kopf erfordert, sind mögliche Auswirkungen auf das Gehirn von besonderer Bedeutung. Trotz diverser kontroverser Berichte, häufen sich die Belege für biologische Wechselwirkungen von hochfrequenten Feldern mit dem zentralen Nervensystem. Dazu zählen unter anderem Veränderung des Kalzium-Gleichgewichts innerhalb der Zellen, neuronale Schäden sowie Störung der Neurotransmittersysteme. Aktuelle Studien haben gezeigt, dass die spezifische Absorptionsrate (SAR) von 5-jährigen Kindern 1,5-mal höher ist als die von 20-jährigen Erwachsenen. Dementsprechend kann die Hochfrequenzbelastung einen stärkeren Einfluss auf Kinder haben, insbesondere während der Entwicklungsphase des Nervensystems. Innerhalb des zentralen Nervensystems ist der Hippocampus hervorzuheben. Er spielt eine entscheidende Rolle bei der räumlichen Orientierung sowie Bildung von neuen Erinnerungen, Emotionen und Lernen. Funktionelle Störungen im Hippocampus werden unter anderem mit Alzheimer, Schizophrenie sowie Depressionen in Verbindung gebracht. Für die Fähigkeit des zentralen Nervensystems sich anzupassen, zu lernen und Erinnerungen zu bilden, ist die aktivitätsabhängige Anpassung von synaptischen Verbindungen von großer Bedeutung. Synapsen sind für die Funktionen von Neuronen unerlässlich. Dendritische Dornen sind kleine zytoplasmatische Vorwölbungen auf Dendriten. Sie bilden den postsynaptischen Anteil von erregenden Synapsen im Gehirn von Säugetieren. Abweichungen der Dichte, Größe und Form der dendritischen Dornen stehen in Zusammenhang mit neuronalen Funktionsstörungen. Die Form der dendritischen Dornen kann grob in drei Kategorien unterteilt werden: pilzförmige Dornen, stummelförmige Dornen und dünne Dornen. Die Oberfläche der Dornen enthält Glutamatrezeptoren, die als AMPA- und NMDARezeptoren bekannt sind. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der synaptischen Plastizität (aktivitätsabhängige Modifikation der Stärke synaptischer Übertragung) und gelten als entscheidend für Gedächtnis und Lernen. Darüber hinaus stimuliert der Wachstumsfaktor BDNF das Wachstum von Dendriten sowie die Dichte von Synapsen während der Dendritenentwicklung. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es unklar, ob Hochfrequenz die Synapsenbildung und das Neuritenwachstum im Hippocampus beeinflusst. Daher wurden in der hier vorgestellten Studie der Einfluss von Hochfrequenz auf die Veränderungen der Dendritenbildung während der Entwicklung des Nervensystems von Mäusen untersucht.

Quelle: ElektrosmogReport September 2021 | 27. Jahrgang, Nr. 3

Studiendesign und Durchführung

Die Studie beinhaltet sowohl in vivo- als auch in vitro-Komponenten. Bei dem in vivo-Part wurden neugeborene Mäuse über 4 Wochen (Tag 1 bis Tag 28 nach der Geburt) mit einer Frequenz von 1850 MHz, einem SAR-Wert von 4,0 W/kg für 5 Stunden täglich bestrahlt bzw. scheinbestrahlt. Als Strahlungsquelle diente ein Hochfrequenzgenerator „Wave Exposer V20“ mit einer Hornantenne. Nach der 4-wöchigen Bestrahlung wurden die Mäuse getötet und ihre Hippocampi für morphologische und biochemische Analysen genutzt. Im in vitro-Teil der Studie wurden primäre Neuronen aus dem Hippocampus kultiviert. Diese Kulturen wurden in einer speziellen Apparatur (vgl. ElektrosmogReport 02/2021 Choi et al.) mit 1760 MHz, einem SAR-Wert von 4,0 W/kg für 5 Stunden täglich über 9 Tage bestrahlt. Anschließend erfolgten auch hier morphologische und biochemische Analysen. Die Experimente wurden nicht mit einem Doppelblindprotokoll durchgeführt. Die Autoren geben jedoch an, dass die Forschungsergebnisse auf einer objektiven und zuverlässigen wissenschaftlichen Grundlage durchgeführt wurden.

Ergebnisse

Zunächst wurde die Anzahl der dendritischen Dornen im Hippocampus der Mäuse (in vivo) untersucht. Die Anzahl der dendritischen Dornen war im Gyrus dentatus (Untereinheit des Hippocampus) statistisch signifikant vermindert, nicht jedoch im Cornu Ammonis (Untereinheit des Hippocampus). In beiden Untereinheiten des Hippocampus wurde eine statistisch signifikant verminderte Anzahl von pilzförmigen Dornen gefunden, die stummelförmigen bzw. dünnen Dornen waren jedoch unverändert.  Immunohistochemische Analysen zeigten eine statistisch signifikant verminderte Expression der AMPA- und NMDA-Glutamatrezeptoren im Hippocampus der bestrahlten Mäuse. Hierbei wurde jedoch nicht zwischen den Untereinheiten des Hippocampus unterschieden. Auch die Bildung des Wachstumsfaktors BDNF war nach Bestrahlung vermindert. Sowohl für den Gesamthippocampus als auch die beiden Untereinheiten Gyrus dentatus und Cornu Ammonis wurde eine statistisch signifikant verringerte Expression von BDNF festgestellt. Die folgenden Experimente wurden in vitro durchgeführt. Zunächst wurde die postsynaptische Dichte 95 (PSD95), welche eine wichtige Rolle bei der synaptischen Plastizität spielt, an den Tagen 3, 5, 7 und 9 der Bestrahlung untersucht. PSD95 war an den Tagen 5, 7 und 9 nach Bestrahlung statistisch signifikant geringer als bei den scheinbestrahlten Kulturen. Bezüglich der Glutamatrezeptoren wurden die Beobachtungen, welche in vivo getätigt wurden, durch die in vitro-Versuche bestätigt: Die Bildung der Glutamatrezeptoren war nach 9-tägiger Bestrahlung signifikant vermindert. Auch die in vivo festgestellte Verringerung der BDNF-Bildung wurde in vitro untersucht. Es wurde nach der 9-tägigen Bestrahlung verminderte BDNF-Bildung lediglich im Soma, nicht aber im Axon/Dendriten der kultivierten Neuronen festgestellt. Die Wissenschaftler konnten außerdem eine signifikante Verminderung der Dendriten-Ausbildung nach 9 Tagen Bestrahlung feststellen. Die Dendriten-Ausbildung wurde durch das Messen der Dendritenlänge, Anzahl der Verzweigung sowie Somagröße untersucht. Lediglich die Somagröße unterschied sich nicht nach Bestrahlung.

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse der Autoren weisen darauf hin, dass eine Hochfrequenzbelastung während der frühen Hirnentwicklung (postnatal) die synaptische Dichte und die funktionelle Synapsenbildung im Hippocampus verringern kann. Dies könne durch eine verminderte Anzahl der dendritischen Dornen, eine verringerte Bildung von Glutamatrezeptoren sowie BDNF und vermindertes Dendritenwachstum geschehen. Diese Ereignisse können, laut den Wissenschaftlern, zu einer Beeinträchtigung der Gedächtnisfunktion führen. Die Daten wiesen darauf hin, dass die Hochfrequenzbelastung die Entwicklung der Synapsenbildung im jungen Gehirn hemmen und die physiologische Funktion beeinträchtigen könne. Die Autoren betonen jedoch, dass die Expositionsbedingungen mit einem SAR von 4,0 W/kg weit über den Sicherheitsrichtlinien der ICNIRP liegen. Diese liegen bei 0,08 W/kg (Ganzkörper), 2 W/kg (Kopf/Rumpf), 4 W/kg (Gliedmaßen). (RH)