Autor(en):
Hinrikus H*, Koppel T, Lass J, Orru H, Roosipuu P, Bachmann M.
* Department of Health Technologies, School of Information Technologies, Tallinn University of Technology, Tallinn.
Estland
Veröffentlicht in:
Int J Radiat Biol 2022; 98 (7): 1210-1221
Veröffentlicht: 31.01.2022
auf EMF:data seit 08.12.2022
Weitere Veröffentlichungen:
Reviews/Übersichtsarbeiten
zur EMF:data Auswertung

Mögliche gesundheitliche Wirkungen auf das menschliche Gehirn durch verschiedene Generationen der Mobilkommunikation: eine Review-basierte Einschätzung der Auswirkungen von 5G.

Possible health effects on the human brain by various generations of mobile telecommunication: a review based estimation of 5G impact.
Exposition:

GSM
GPRS, Edge (E)/2G
UMTS/3G
LTE/4G
5G
450-2500 MHz

EMF:data Auswertung

Einleitung

In den letzten Jahrzehnten wurden in Tausenden von Studien biologische Wirkungen von HF EMF bei Menschen, Tieren und Zellen festgestellt. Studien haben gezeigt, dass die Exposition gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (HF-EMF) den oxidativen Stress erhöht und Veränderungen in der Gehirnphysiologie und im Verhalten verursacht.

Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) hat HF-EMF als möglicherweise krebserregend für den Menschen eingestuft. Diese Schlussfolgerungen wurden auf der Grundlage von Daten aus Studien abgeleitet, in denen die charakteristische HF-EMF-Exposition der früheren Mobilfunk-Generationen (2G, 3G, 4G) verwendet wurden.

Vor kurzem hat das Europäische Parlament Berichte über die Auswirkungen von 5G auf Gesundheit und Umwelt veröffentlicht. Die 5G-Technologie unterscheidet sich von den vorherigen Generationen vor allem durch die Verwendung höherer HF-EMF-Bänder und neuartiger, komplexerer Signalstrukturen. Die Auswirkungen der höheren Frequenzen und der veränderten Signalstruktur könnten mögliche Gründe für Unterschiede bei den gesundheitlichen Auswirkungen von 5G im Vergleich zu früheren Generationen sein.

Quelle: ElektrosmogReport Dezember 2022 | 28. Jahrgang, Nr. 4

Studiendesign und Durchführung

Für die Suche nach Veröffentlichungen wurde die EMF-Portal-Datenbank verwendet. Zunächst wurden die Studien der letzten fünfzehn Jahre ausgewertet, um die experimentellen Daten zu bewerten. Zweitens wurde eine Diskussion über die Mechanismen und Faktoren geführt.

Verwendete Einschlusskriterien bei der Auswahl der Studien:

1. Mehr als 10 Probanden pro Versuchsgruppe.
2. Die Studie muss mindestens einen Schein- oder Kontrollvergleich enthalten.
3. Die Studie muss zumindest einfach verblindet sein.
4. Angabe der Expositionsbedingungen wie Feldstärke oder Leistungsdichte.
5. Korrekte statistische Auswertung und statistische Signifikanz p < 0,05.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 73 Publikationen in die Überprüfung einbezogen. Die Studien wurden in vier Kategorien eingeteilt: Ruhe-Elektroenzephalographie (EEG), Schlaf-EEG und Schlafqualität, ereigniskorrelierte Potentiale sowie Kognition-Verhalten und Hirnstoffwechsel. Statistisch signifikante Veränderungen in einem untersuchten Parameter zwischen Schein- und Expositionsbedingungen wurden als Effekt betrachtet.

Die Mehrheit der Studien (68 von 73) wurde bei Expositionsniveaus durchgeführt, die unterhalb des offiziellen ICNIRP-Grenzwerts von 2 W/kg liegen (nicht-thermisch).

Die Mehrheit der Studien (69 von 73) berichtete nur über beobachtete Veränderungen, nicht über quantitative Veränderungen der aufgezeichneten Parameter. Nur einige Studien gaben quantitative Ergebnisse an: das Ausmaß der Veränderungen in den EEG-Bändern oder die Anzahl der betroffenen Personen. Es lässt sich eine allgemeine Tendenz feststellen: eine langsame Abnahme des Ausmaßes des Effekts mit der Erhöhung der Modulationsfrequenz. Der Anstieg der EEG-Leistung wird bei einer Modulation von 217 Hz und mehr statistisch unbedeutend.

Trotz der großen Unterschiede zwischen den verschiedenen HF-EMF-Effekten ist der Ursprung der Effekte vermutlich derselbe: ein externes elektrisches Feld wirkt auf freie und gebundene Ladungen im Gewebe und verursacht eine dielektrische Polarisierung des Gewebes. Bei hohen HF-EMF führt die absorbierte elektromagnetische Energie zu einem Anstieg der Gewebetemperatur und damit zu einer thermischen Wirkung. Bei einer niedrigen Strahlungsintensität tritt ein nicht-thermischer Feldeffekt auf. Lebendes Gewebe besteht bis zu 80 % aus Wasser. Es dominiert die Orientierungspolarisation, die mit der Rotation der dipolaren Wassermoleküle durch das elektrische Feld zusammenhängt, gegenüber der Polarisation, die mit der Verschiebung der Moleküle und Ionen zusammenhängt. Aufgrund der Trägheit der Wassermoleküle nimmt die Orientierungspolarisation mit der Frequenz ab.

Nach der Theorie der parametrischen Anregung tritt die maximale Intensität der Anregung bei Frequenzen auf, die doppelt so hoch sind wie die Modulationsfrequenz.
Experimente haben gezeigt, dass die wirksamsten Frequenzen für die Erregung des Gehirns 14–40 Hz sind; bei einer Modulation von 1000 Hz wurde keine Wirkung festgestellt.

Schlussfolgerungen

Die experimentellen Studien über die Auswirkungen von HF-EMF auf das menschliche Gehirn durch 2G, 3G und 4G bei Frequenzen von 450 bis 2500 MHz waren für die Analyse verfügbar. Die Suche nach Veröffentlichungen ergab keine experimentellen Studien zu 5G oder zu HF-EMF-Frequenzen über 2500 MHz. Die Ergebnisse der aktuellen Überprüfung zeigen keine konsistente Beziehung zwischen der Art der HF-EMF-Wirkungen und den Expositionsparametern der verschiedenen Mobilfunk-Generationen (2G, 3G, 4G).
Bei den HF-EMF-Frequenzen unter 10 GHz sollten die Auswirkungen von 5G keine wesentlichen Unterschiede im Vergleich zu den vorherigen Generationen aufweisen. Die in 5G verwendeten Funkfrequenzen sind teilweise noch höher und die Eindringtiefe der Felder ist somit geringer, daher sollte die Auswirkung eher geringer als bei früheren Generationen sein. Bei HF-EMF-Frequenzen von mehr als 10 GHz könnte sich der Mechanismus der Auswirkungen unterscheiden, und die Auswirkungen von 5G werden unvorhersehbar. Das vorhandene Wissen über den Mechanismus von HF-EMF-Effekten bei Millimeterwellen umfasst nicht genügend experimentelle Daten und theoretische Modelle, um zuverlässige Schlussfolgerungen zu ziehen. Das unzureichende Wissen über die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen von Millimeterwellen und das Fehlen experimenteller In-vivo-Studien zu 5G unterstreichen den dringenden Bedarf an theoretischen und experimentellen Untersuchungen der gesundheitlichen Auswirkungen von 5G. (AT)