Autor(en):
Belpomme D*, Irigaray P.
* Medical Oncology Department, Paris University, Paris.
Frankreich
Veröffentlicht in:
Environ Res 2022; 212 Pt A: 113374
Veröffentlicht: 07.05.2022
auf EMF:data seit 07.02.2023
Weitere Veröffentlichungen:
Schlagwörter zu dieser Studie:
Elektrohypersensibilität (EHS)
Reviews/Übersichtsarbeiten
zur EMF:data Auswertung

Warum Elektrosensibilität und ähnliche Symptome durch nicht-ionisierende, vom Menschen erzeugte elektromagnetische Felder verursacht werden: Ein Überblick und eine medizinische Bewertung.

Why electrohypersensitivity and related symptoms are caused by non-ionizing man-made electromagnetic fields: An overview and medical assessment.

Original Abstract

Much of the controversy over the cause of electrohypersensitivity (EHS) lies in the absence of recognized clinical and biological criteria for a widely accepted diagnosis. However, there are presently sufficient data for EHS to be acknowledged as a distinctly well-defined and objectively characterized neurologic pathological disorder. Because we have shown that 1) EHS is frequently associated with multiple chemical sensitivity (MCS) in EHS patients, and 2) that both individualized disorders share a common pathophysiological mechanism for symptom occurrence; it appears that EHS and MCS can be identified as a unique neurologic syndrome, regardless their causal origin. In this overview we distinguish the etiology of EHS itself from the environmental causes that trigger pathophysiological changes and clinical symptoms after EHS has occurred. Contrary to present scientifically unfounded claims, we indubitably refute the hypothesis of a nocebo effect to explain the genesis of EHS and its presentation. We as well refute the erroneous concept that EHS could be reduced to a vague and unproven "functional impairment". To the contrary, we show here there are objective pathophysiological changes and health effects induced by electromagnetic field (EMF) exposure in EHS patients and most of all in healthy subjects, meaning that excessive non-thermal anthropogenic EMFs are strongly noxious for health. In this overview and medical assessment we focus on the effects of extremely low frequencies, wireless communications radiofrequencies and microwaves EMF. We discuss how to better define and characterize EHS. Taken into consideration the WHO proposed causality criteria, we show that EHS is in fact causally associated with increased exposure to man-made EMF, and in some cases to marketed environmental chemicals. We therefore appeal to all governments and international health institutions, particularly the WHO, to urgently consider the growing EHS-associated pandemic plague, and to acknowledge EHS as a mainly new real EMF causally-related pathology.

Keywords

EHS | Electrohypersensitivity | Electromagnetic field | Extremely low frequency | Microwaves | Pathophysiological mechanism | Radiofrequency

Copyright © 2022 The Authors. Published by Elsevier Inc. All rights reserved.

Exposition:

EMF allgemein
HF allgemein

EMF:data Auswertung

Einleitung

Ein Großteil der Kontroverse über die Ursache der Elektrohypersensibilität (EHS) ist darauf zurückzuführen, dass es keine anerkannten klinischen und biologischen Kriterien für eine allgemein akzeptierte Diagnose gibt. Derzeit liegen jedoch genügend Daten vor, um EHS als eine klar definierte und objektiv charakterisierte, pathologische neurologische Störung anzuerkennen. Da die Autoren gezeigt haben, dass EHS bei Patienten häufig mit multipler chemischer Sensitivität (MCS) assoziiert ist und dass beide individualisierte Störungen einen gemeinsamen pathophysiologischen Mechanismus für das Auftreten von Symptomen aufweisen, können EHS und MCS als neurologische Syndrome identifiziert werden. Im Gegensatz zu den derzeitigen wissenschaftlich unbegründeten Behauptungen widerlegen die Autoren zweifelsfrei die Hypothese eines Nocebo-Effekts zur Erklärung der Entstehung von EHS und seiner Präsentation.

Quelle: ElektrosmogReport Februar 2023 | 29. Jahrgang, Nr. 1

Studiendesign und Durchführung

Zusammenfassung der durch EMF hervorgerufenen pathophysiologischen Veränderungen und gesundheitlichen Auswirkungen:

Es gibt objektive pathophysiologische Veränderungen und gesundheitliche Auswirkungen, die durch die Exposition durch elektromagnetische Felder (EMF) bei EHS-Patienten und vor allem bei gesunden Probanden beobachtet werden.
1. EHS kann nicht als Folge eines Nocebo-Effekts betrachtet werden, d.h. als eine psychiatrische Krankheit. Befunde zeigen, dass EMF mit somatischen Anomalien wie geringgradiger Entzündung und einer Störung/Öffnung der Blut-Hirn-Schranke (BHS) verbunden sind. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass EHS in etwa 25 % der Fälle mit MCS assoziiert ist, das bereits als somatische Erkrankung gilt.
2. Das Auftreten von EHS ist eine Folge der künstlichen elektromagnetischen Umweltverschmutzung.
3. Die Intoleranz gegenüber EMF-Exposition, einschließlich des Auftretens von EHS, ist nicht auf bestimmte Regionen oder Länder beschränkt, sondern ein weltweites Phänomen mit pandemischer Ausbreitung.
4. Viele unabhängige Provokationsstudien belegen, dass EMF den Organismus biologisch schädigen können und auch bei gesunden Menschen Noxen sind. Aufgrund der Anwendung falscher Methoden gibt es nur eine begrenzte Anzahl von Studien, die pathophysiologische Veränderungen bei EHS-Patienten zeigen.
5. Mehrere EHS-assoziierte Symptome wie Schlafstörungen, depressive Tendenzen und Suizidrisiko wurden in unabhängigen epidemiologischen Studien als Folge einer dosisabhängigen EMF-Exposition nachgewiesen.
6. Viele EHS-Patienten sind durch eine geringgradige Entzündung, nitroso-oxidativen Stress, eine Störung/Öffnung der BHS und Veränderungen der Neurotransmitter im Gehirn gekennzeichnet; all dies wurde auch in Tierstudien nachgewiesen.
7. Die meisten EHS-Patienten weisen in ihrer Anamnese eine übermäßige Exposition gegenüber EMF auf, was bestätigt, dass EMF-Exposition ein plausibler Auslöser für die Entstehung von EHS sein kann.
8. Viele unabhängige In-vitro- und In-vivo-Studien zeigen, dass vom Menschen verursachte EMF mit körpereigenen elektrischen Feldern interagieren können, die die zellulären biologischen Funktionen im normalen Organismus steuern. Wenn sie auf den gesamten menschlichen Organismus einwirken, verzerren künstliche EMF die physiologischen endogenen EMF. Sie verzerren auch die entsprechenden zellulären Funktionen, was zu negativen biologischen/gesundheitlichen Auswirkungen führt.
9. Technologische EMF und die entsprechenden elektromagnetischen Strahlungen (EMS) sind vollständig polarisiert und kohärent und unterscheiden sich somit physikalisch von natürlichen EMF/EMS, die nicht polarisiert sind. Dies kann für ihre schädlichen Wirkungen verantwortlich sein.
10. Der pathophysiologische Mechanismus, durch polarisierte und kohärente (anthropogene) EMF neurotoxische Wirkungen hervorrufen zu können, ist inzwischen erwiesen und durch viele Tierversuche belegt.
11. Auf molekularer Ebene hat sich gezeigt, dass chronische EMF-Exposition niedriger Intensität direkt auf die DNS einwirkt und genetische Schäden und/oder epigenetische Veränderungen verursacht. Zusätzlich hierzu könnte die EMF-Exposition Veränderungen in der Genregulation und Proteinfehlfaltungen hervorrufen. Es ist noch unklar, ob diese verschiedenen genetischen und/oder epigenetischen Mechanismen an der Entstehung von EHS beteiligt sind, aber wie in vielen Studien gezeigt wurde, könnte die Produktion freier Radikale in den Zellen nach EMF-Exposition an diesen Veränderungen beteiligt sein. Es hat sich gezeigt, dass EHS in 80 % der Fälle mit der Produktion von freien Radikalen reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) und/oder reaktiver Stickstoffspezies (RNS) verbunden ist.

Schlussfolgerungen

Durch die Verwendung verschiedener Biomarker im Blut und Urin sowie geeigneter Bildgebungsverfahren haben die Autoren zuvor nachgewiesen, dass EHS eine pathologische Störung des Gehirns ist, die objektiv diagnostiziert und behandelt werden kann. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass EHS und MCS, obwohl sie sich in ihrer Ätiologie und Pathogenese unterscheiden, eine ähnliche klinische und biologische Signatur aufweisen, so dass sie aus medizinischer Sicht als Teil eines bestimmten, einzigartigen, mit Umweltintoleranz verbundenen neurologischen Syndroms betrachtet werden müssen. EHS und MCS sind jedoch von der WHO noch immer nicht angemessen anerkannt worden. Die Autoren appellieren an alle Regierungen und internationalen Gesundheitsinstitutionen, insbesondere an die WHO, die wachsende EHS-assoziierte Pandemie-Plage dringend zu berücksichtigen und EHS als eine hauptsächlich neue, echte, kausal mit EMF verbundene Pathologie anzuerkennen. (AT)