Autor(en):
Tran NT*, Jokic L, Keller J, Geier JU, Kaldenhoff R.
* Applied Plant Sciences, Department of Biology, Technical University Darmstadt, 64287 Darmstadt.
Deutschland
Veröffentlicht in:
Plants 2023; 12 (5): 1082
Veröffentlicht: 28.02.2023
auf EMF:data seit 08.05.2023
Weitere Veröffentlichungen: Studie gefördert durch:

Software AG Stiftung (Darmstadt); Deutsche Forschungsgemeinschaft
(DFG—German Research Foundation) and the Open Access Publishing Fund of Technical University of Darmstadt.

Schlagwörter zu dieser Studie:
Wirkung auf Pflanzen
Medizinische/biologische Studien
zur EMF:data Auswertung

Auswirkungen von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (HF-EMF) auf Salat (Lactuca sativa) - Hinweise auf HF-EMF-Interferenz mit pflanzlichen Stress-Reaktionen.

Impacts of Radio‐Frequency Electromagnetic Field (RF‐EMF) on Lettuce (Lactuca sativa) - Evidence for RF‐EMF Interference with Plant Stress Responses.

Original Abstract

The increased use of wireless technology causes a significant exposure increase for all living organisms to radio frequency electromagnetic fields (RF-EMF). This comprises bacteria, animals, and also plants. Unfortunately, our understanding of how RF-EMF influences plants and plant physiology remains inadequate. In this study, we examined the effects of RF-EMF radiation on lettuce plants (Lactuca sativa) in both indoor and outdoor environments using the frequency ranges of 1890–1900 MHz (DECT) at 2.4 GHz and 5 GHz (Wi-Fi). Under greenhouse conditions, RF-EMF exposure had only a minor impact on fast chlorophyll fluorescence kinetics and no effect on plant flowering time. In contrast, lettuce plants exposed to RF-EMF in the field showed a significant and systemic decrease in photosynthetic efficiency and accelerated flowering time compared to the control groups. Gene expression analysis revealed significant down-regulation of two stress-related genes in RF-EMF-exposed plants: violaxanthin de-epoxidase (VDE) and zeaxanthin epoxidase (ZEP). RF-EMF-exposed plants had lower Photosystem II’s maximal photochemical quantum yield (FV/FM) and non-photochemical quenching (NPQ) than control plants under light stress conditions. In summary, our results imply that RF-EMF might interfere with plant stress responses and reduced plant stress tolerance.

Exposition:

1880–1900 MHz
2400 MHz
5 GHz
Mobiles Internet/WLAN
Schnurlostelefone/DECT
Exponiertes System:
Lactuca sativa (Gartensalat)

EMF:data Auswertung

Einleitung

Über die Wirkung von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern im Mobilfunkbereich auf Pflanzen und deren Physiologie ist noch zu wenig bekannt. Unsere Zeit ist geprägt von massiver Einwirkung künstlicher elektromagnetischer Felder auf Tiere und Pflanzen, wobei derenEigenschaften komplett verschieden von natürlichen Feldern, z. B. den von Blitzen, sind. Auf die heutige außergewöhnlich hohe Strahlenbelastung sind die meisten Organismen evolutionär nicht vorbereitet. Die Strahlung ist als „möglicherweise Krebs erregend beim Menschen“ von der IARC eingestuft. Pflanzenforschung muss aus mehreren Gründen mehr Aufmerksamkeit bekommen. Erstens sind Pflanzen der Strahlung stärker ausgesetzt, da sie am Standort festsitzen und die meisten Pflanzen aufgrund der sehr großen Oberfläche im Verhältnis zum gesamten Organismus mehr Strahlung absorbieren. Zweitens haben Pflanzen wichtige Funktionen in der Biosphäre. Sie sind Nahrungsmittel für Mensch und Tier und sind Bestandteil vieler biogeochemischer Zyklen und  Stoffwechselprozesse. Eine Meta-Analyse von 2016 ergab, dass 89,9 % der 169 Studien (1995-2016) physiologische Veränderungen durch Strahleneinwirkung fanden und nur 17 (10,1 %) keine. Die wenigsten Experimente wurden unter Langzeitbestrahlung oder im Freiland durchgeführt, die aber notwendig sind, um die realen Bedingungen so gut wie möglich abzubilden. In dieser Studie wurde die Wirkung der Frequenzen von 1800-1900 MHz (DECT) und 2,4 GHz und 5 GHz (WLAN) auf Salatpflanzen (Lactuca sativa) untersucht, die sowohl im Gewächshaus als auch im Freiland aufwuchsen und bestrahlt worden waren.

Quelle: ElektrosmogReport Mai 2023 | 29. Jahrgang, Nr. 2

Studiendesign und Durchführung

Die Experimente wurden zwischen September 2021 und September 2022 durchgeführt. Die Einsaat erfolgte in Töpfen im Gewächshaus. 3 Wochen nach der Einsaat verblieb ein Teil der Pflanzen im strahlungsfreien Gewächshaus der Universität, ein anderer Teil kam beim Forschungsring e. V. in die Erde des Versuchsfeldes. Außer den Pflanzen für die Genanalyse (sofort nach der Bestrahlung) verblieben die Pflanzen dort bis zum Ende des Wachstums (Seneszenz). Zu Beginn des Experiments wurden 2 Gruppen zu je 9-10 Pflanzen angesetzt. Bestrahlt wurde mit 2 WLAN-Routern (Fritzbox 7530, 2,4 GHz und 5 GHz) und 2 DECT-Telefonen (1880-1900 MHz). Die DECT-Telefone sendeten permanent. Die Leistungsflussdichte entsprach der üblichen Stärke in einem Stadtzentrum. Als Nullwert erfolgte eine Bestimmung der Photosyntheseleistung (Chlorophyll-Fluoreszenz-Kinetik), um die Vergleichbarkeit der Gruppen zu überprüfen. Die Bestrahlung der einen Gruppe dauerte über das ganze Experiment, 2- bis 3-mal pro Woche wurden die Pflanzen untersucht mit insgesamt 48 Messungen. Es gab 7 getrennte Feldexperimente (4 mit Sorte Larissa, 3 mit Briweri) und ein Experiment im Gewächshaus von September 2021 bis September 2022. An jedem Zeitpunkt wurden mindestens 40 (Feld) bzw. 100 Messungen (Gewächshaus) an Kontroll- und Bestrahlungsgruppe durchgeführt. Im Labor wurden einige Parameter des Photosystems II und die zwei stressrelevanten Gene Violaxanthin-Deepoxidase (VDE) und Zeaxanthin-Epoxidase (ZEP) bestimmt. Da die Genexpression von VDE und ZEP vermindert war, wurde ein Experiment unter Lichtstress (starke Lichteinwirkung über 24 Stunden) durchgeführt. Der Zeitpunkt des Blühens wurde mit Öffnung der Knospe festgelegt.

Ergebnisse

Die Bestimmung des Nullwertes der Photosyntheseaktivität ergab nur geringe Unterschiede in beiden Gruppen, während nach Beginn der Bestrahlung signifikante Unterschiede zwischen Kontroll- und Bestrahlungsgruppe auftraten. Bei der Sorte Briweri stärker als bei Larissa. Bei Larissa waren die Werte für Gewächshaus und Feld fast gleich hoch. Bei den im Gewächshaus aufgezogenen Pflanzen war der Einfluss der Strahlung auf die Photosynthese-Parameter nur gering und es gab keinen Unterschied beim Beginn der Blütezeit. Im Unterschied dazu zeigten die im Freiland bestrahlten Salatpflanzen eine signifikante Abnahme der Photosyntheseleistung und eine beschleunigte Blütezeit im Vergleich zu den Kontrollpflanzen. Die Analyse der Genexpression ergab nach Bestrahlung signifikante Herunterregulation der zwei stressbezogenen Gene Violaxanthin-de-Epoxidase (VDE) und Zeaxanthin-Epoxidase (ZEP). Der Lichtstress verstärkte den Photosyntheserückgang statistisch signifikant gegenüber den Kontrollen.

Schlussfolgerungen

In 6 von 7 Feldexperimenten führte die Bestrahlung bei beiden Salatsorten zu einer fortschreitenden Reduktion der Photosyntheseleistung, besonders zum Ende des Wachstumszyklus. Solch systemischer Photosyntheserückgang deutet auf Stress hin, welcher typischerweise Elektronen- und Energiefluss im und um Photosystem I und II herum betrifft. Ein weiteres Zeichen für Stress ist, dass die Pflanzen früher von der vegetativen zur reproduktiven Entwicklung wechseln, d. h. früher Blüten bilden. Bei den Gewächshaus-Experimenten scheint die Strahlung keine erkennbare Wirkung auf die Salatpflanzen zu haben, was die ständig wechselnden Verhältnisse auf dem Feld gegenüber den relativ konstanten im Gewächshaus erklären könnte. Die Herunterregulierung der beiden Stress-bezogenen Gene VDE und ZEP durch die Strahlung und der Lichtstress konnten das bestätigen. Bei Pflanzen spielen diese beiden Gene eine wichtige Rolle bei der abiotischen Stressreaktion. VDE und ZEP werden je nach den Lichtverhältnissen hoch- oder herunterreguliert. Wenn diese Enzyme geringere Konzentrationen haben, ist die Pflanze stressanfälliger.

Wären diese Experimente nur im Gewächshaus durchgeführt worden, hätten die signifikanten Unterschiede zwischen bestrahlten und  unbestrahlten Kontrollpflanzen nicht entdeckt werden können. Wenn sich diese Ergebnisse bestätigen, hat das weitreichende Konsequenzen. Steigende Anwendungen von Funkgeräten, zunehmende Wetterextreme durch den Klimawandel könnten signifikante Auswirkungen auf Pflanzen haben und unsere Nahrungsmittel und das Ökosystem gefährden. (IW)