Autor(en):
Singh KV*, Prakash C, Nirala JP, Nanda RK, Rajamani P.
* School of Environmental Sciences, Jawaharlal Nehru University, New Delhi 110067.
Indien
Veröffentlicht in:
Neurotoxicology 2023; 94: 46-58
Veröffentlicht: 03.11.2022
auf EMF:data seit 21.08.2023
Weitere Veröffentlichungen: Studie gefördert durch:

Partly supported by the UPE II project (ID-58) and Department of Science and Technology PURSE fund of Jawaharlal Nehru University (JNU) and institute core funds from the International
Center for Genetic Engineering and Biotechnology (ICGEB). KVS was supported by a fellowship from the Council of Scientific and Industrial Research (Award No. 09/263(1005)/2013-EMR-1) and the Indian Council of Medical Research (ICMR), Government of India (Award No.
849/2019)

Schlagwörter zu dieser Studie:
DNA-Schädigung  |  (Oxidative) Stress-Reaktion  |  Neurogenese
Medizinische/biologische Studien
zur EMF:data Auswertung

Eine akute hochfrequente elektromagnetische Befeldung beeinträchtigt die Neurogenese und verursacht neuronale DNA-Schäden im Gehirn von jungen Ratten.

Acute radiofrequency electromagnetic radiation exposure impairs neurogenesis and causes neuronal DNA damage in the young rat brain.

Original Abstract

A mobile phone is now a commonly used device for digital media and communication among all age groups. Young adolescents use it for longer durations, which exposes them to radiofrequency electromagnetic radiation (RF-EMR). This exposure can lead to neuropsychiatric changes. The underlying cellular mechanism behind these changes requires detailed investigation. In the present study, we investigated the effect of RF-EMR emitted from mobile phones on young adolescent rat brains. Wistar rats (5 weeks, male) were exposed to RF-EMR signal (2115 MHz) at a head average specific absorption rate (SAR) of 1.51 W/kg continuously for 8 h. Higher level of lipid peroxidation, carbon-centered lipid radicals, and single-strand DNA damage was observed in the brain of rat exposed to RF-EMR. The number of BrdU-positive cells in the dentate gyrus (DG) decreased in RF-EMR-exposed rats, indicating reduced neurogenesis. RF-EMR exposure also induced degenerative changes and neuronal loss in DG neurons but had no effect on the CA3 and CA1 neurons of the hippocampus and cerebral cortex. The activity of Pro-caspase3 did not increase upon exposure in any of the brain regions, pointing out that degeneration observed in the DG region is not dependent on caspase activation. Results indicate that short-term acute exposure to RF-EMR induced the generation of carbon-centered lipid radicals and nuclear DNA damage, both of which likely played a role in the impaired neurogenesis and neuronal degeneration seen in the young brain's hippocampus region. The understanding of RF-EMR-induced alteration in the brain at the cellular level will help develop appropriate interventions for reducing its adverse impact.

Exposition:

2115 MHz
Teilkörper-SAR: 1,51 W/kg

EMF:data Auswertung

Einleitung

2022 waren weltweit ca. 6,38 Milliarden Smartphone-Mobilfunkverträge abgeschlossen. Jugendliche (8–18 Jahre) gaben an, täglich rund 8h am Smartphone zu verbringen. Erkenntnisse aus epidemiologischen Studien deuten darauf hin, dass die Nutzung von Smartphones insbesondere bei Jugendlichen mit kognitiven, emotionalen und Verhaltensstörungen in Verbindung gebracht werden kann. Das Auslösen von oxidativem Stress, DNA-Schäden, Hemmung der DNA-Reparatur, veränderter Gen- und Proteinexpression, epigenetischen Veränderungen sowie eines veränderten Kalziumstoffwechsels sind Faktoren, die zu Hochfrequenz-induzierten neuronalen Schäden beitragen können. Die hier vorgestellte Studie beschäftigt sich mit der Wirkung kurzfristiger, akuter Hochfrequenzbefeldung auf oxidativen Stress und Redox-sensitive Prozesse im Gehirn jugendlicher Ratten.

Quelle: ElektrosmogReport September 2023 | 29. Jahrgang, Nr. 3

Studiendesign und Durchführung

Insgesamt wurden 26 5-wöchige männliche Wistar-Ratten (n = 4) einmalig für 8h mit puls-modulierter 2115-MHz-Hochfrequenz befeldet. Als Kontrollen fungierten scheinbefeldete Tiere. Das Alter der verwendeten Ratten entspricht hierbei dem von jungen Heranwachsenden. Der SAR-Wert im Kopf der Versuchstiere betrug 1,51 W/kg. Die Wissenschaftler führten eine Reihe von Analysen in der Großhirnrinde sowie den verschiedenen Regionen des Hippocampus (Gyrus dentatus (DG), Cornu Ammonis 1 und 3 (CA1 und CA3)) durch. Es wurden freie Radikale (Elektronenspinresonanz-Spektroskopie) Lipidperoxidation (Malondialdehyd, MDA), Proteinoxidation, Gesamt-Antioxidative-Kapazität, DNA-Strangbrüche (Komet-Test), Zellteilung (BrdU) und histopathologische Veränderungen (Cresyl-Violett Färbung) analysiert. Außerdem wurde der neuronale Marker NeuN sowie der Apoptosemarker Pro-Caspase-3 immunohistochemisch überprüft.

Ergebnisse

Die Wissenschaftler beobachteten einen statistisch signifikanten Anstieg von freien Radikalen nach der Hochfrequenzbefeldung. Insbesondere Kohlenstoff-zentrierte Radikale und Lipidperoxidation, sowohl in der Großhirnrinde als auch den Hippocampus-Regionen waren erhöht. Protein-Carbonylierung und antioxidative Kapazität hingegen wurden durch die Hochfrequenz nicht beeinflusst. Der hohe Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren im Gehirn könnte der Grund sein, warum Kohlenstoff-zentrierte Radikale und peroxidierte Lipide die markanten oxidativen Stressmarker darstellten. Vermutlich wurden keine Veränderungen der Protein-Carbonylierung und der antioxidativen Kapazität beobachtet, da lediglich die akute Hochfrequenzwirkung und keine Langzeitwirkung untersucht wurden. Übereinstimmend mit der Radikalbildung wurden signifikante DNA-Schäden im Cortex und Hippocampus gefunden. Hierbei waren die DNA-Schäden in der Großhirnrinde ausgeprägter, was mutmaßlich mit der Nähe zur Strahlungsquelle zusammenhängt. Die Zellteilung war im DG des Hippocampus signifikant verringert. Die verminderte Anzahl BrdU-positiver Zellen deutet darauf hin, dass die Hochfrequenzbelastung entweder zum Absterben neuronaler Vorläuferzellen oder aber zu Störungen des Zellzyklus in den neuronalen Vorläuferzellen geführt haben könnte. Die histopathologische Untersuchung ergab eine signifikant erhöhte Degeneration von Neuronen im DG, nicht aber in anderen Hippocampus-Regionen oder dem Cortex. Übereinstimmend zeigte die Expressionen des NeuN-Proteins, welches ein Marker für reife Neuronen ist, eine signifikante Abnahme in der DG-Region, nicht aber den anderen Hippocampus-Regionen oder der Großhirnrinde. Dies weist darauf hin, dass die DG-Region anfälliger für Hochfrequenz ist als die anderen untersuchten Hirnregionen. Die Pro-Caspase-3-Analyse zeigte keine statistisch signifikanten Veränderungen. Dies könnte daraufhin deuten, dass die Hochfrequenz-induzierte neuronale Degeneration des DG möglicherweise durch Caspase-unabhängige Zelltod-Signalwege, wie z.B. Ferroptose, Pyroptose oder Parthanatos hervorgerufen wurde.

Schlussfolgerungen

Zusammenfassend zeigt diese Studie, dass eine einmalige akute Hochfrequenzbefeldung mit einer realitätsnahen Intensität (viele der heutigen Mobiltelefone haben einen maximalen SAR-Wert von ca. 1,5 W/kg für den Kopf, Anm. d Redaktion) oxidativen Stress in den Hirnen „jugendlicher“ Ratten hervorrief. Dies ging einher mit einem deutlichen Anstieg von Radikalen und Lipidperoxidation. Ebenso wurden DNA-Schäden in Form von Einzelstrangbrüchen in Großhirnrinde und Hippocampus dokumentiert. Im Hippocampus wurden außerdem eine beeinträchtigte Neurogenese sowie erhöhte neuronale Degeneration belegt. Da es sich um eine Studie am Tiermodell handelt, können die Ergebnisse nur bedingt auf den Menschen übertragen werden, trotzdem weisen sie auf eine schädliche Wirkung von Hochfrequenz auf das Gehirn hin. Laut den Autoren könnten die Ergebnisse der vorliegenden Studie nach einer sorgfältigen Validierung dazu beitragen, geeignete Maßnahmen zu entwickeln, um schädliche Auswirkungen beim Menschen zu verhindern. (RH)