Pflanzen sind in der Natur aufgrund der zunehmenden Dichte an Basisstationen immer mehr hochfrequenten elektromagnetischen Feldern ausgesetzt, die den ICNIRP-Standards entsprechen. Viele Studien mit verschiedenen Pflanzen ergaben, dass hochfrequente Felder im nicht-thermischen Bereich den Pflanzenstoffwechsel verändern, was sich auf Keimung, Wachstum von Spross und Wurzeln sowie Blüten- und Samenbildung auswirken kann. Bei Pflanzen spielen reaktive Sauerstoffmoleküle (ROS) eine wichtige Rolle für die Wahrnehmung der Umweltbedingungen und als Signalgeber, in den Zellen und von Zelle zu Zelle, vor allem Wasserstoffperoxid (H2O2). Die Autoren gehen davon aus, dass elektromagnetische Felder ROS- und Calcium-Konzentrationen in den Zellen verändern können, wodurch nachfolgend Veränderungen in Genexpression und Enzymaktivitäten auftreten. In der vorliegenden Arbeit wurde an der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) überprüft, ob kurzzeitige nicht-thermische Bestrahlung rasche Veränderungen (bis 60 Minuten) im Stoffwechsel auslösen kann.
Zwei Gruppen mit je 12 Pflanzen von Arabidopsis thaliana (4 Wochen alte Rosetten) wurden in einem abgeschirmten Raum 30 Minuten zum einen mit 2,45 GHz (100 kHz moduliert) an der Pflanze bestrahlt (Winkel 45°, 60 cm Abstand, zwischen 99 und 110 V/m an den Ecken und 125 V/m in der Mitte des Tabletts), die andere Gruppe erhielt Scheinbestrahlung. Nach drei unabhängigen Bestrahlungsansätzen erfolgte eine dreifache Probenentnahme. Die Temperatur wurde während des gesamten Experimentes an den Oberflächen der Blätter mit 2 Methoden gleichzeitig gemessen. Nach 15, 30 und 60 Minuten wurden Blätter für biochemische und molekularbiologische Analysen geerntet. Untersucht wurde auf Genexpression der Calmodulin-Transskripte (TCH1 und ZAT12-Transkriptionsfaktor), CAT2 und RBOHF Isoformen D und F (NADPH oxidase/respiratory burst oxidase homolog) und APX1 (Ascorbatoxidase, reguliert die H2O2-Konzentration) sowie die Konzentrationen der biochemischen Parameter H2O2, Glutathion, oxidierte Formen von GSH/GSSG und Ascorbinsäure (AsA/DHA) und Lipidperoxidation (MDA).
Man fand kaum Erwärmung des Blattgewebes, es waren 20,3 °C ± 0,1–0,2 °C gegenüber ca. 20 °C vor und nach Bestrahlung. Aus dem maximalen Anstieg um 0,1 °C während der 30-minütigen Bestrahlung wurde ein entsprechender SAR-Wert von 0,21 W/kg berechnet. Die Transkripte der stressbezogenen Gene TCH1 und ZAT12-Transkriptionsfaktor zeigten raschen Anstieg schon nach 15 Minuten, der bis 60 Minuten anhielt gegenüber den Kontrollen, ebenso stiegen die Genexpressionswerte des ROS-Stoffwechsels (RBOHF und APX1) bis 60 Minuten signifikant an, während RBOHD nahezu konstant blieb. CAT2 nahm nach 30 Minuten Bestrahlung signifikant ab und stieg wieder leicht an. Die Konzentration von H2O2 war nach 60 Minuten signifikant höher als bei der Kontrolle, die betrug 293,9 gegenüber 213,8 nMol/g Frischgewicht (+37,4 %). Gleichzeitig stiegen H2O2 und Dehydroascorbinsäure signifikant an, während Glutathion (reduzierte und oxidierte Form) und Ascorbinsäure nicht-signifikant anstiegen und die Lipidperoxidation stabil blieb. Die Expression von CAT2 und der Ablauf der H2O2-Entgiftung waren nach 60 Minuten nicht verändert. Der signifikante Anstieg von Dehydroascorbinsäure deutet auf die Aktivität des Ascorbinsäure/Glutathion-Signalwegs hin, im Zusammenwirken mit Calcium, worauf der Anstieg von Calmodulin schließen lässt.
Die Wirkung elektromagnetischer Strahlung ist laut IEEE und ICNIRP als nicht-thermisch definiert, wenn sie weniger als 1 °C innerhalb von 30 Minuten ansteigt. Pflanzen reagieren, anders als menschliche Zellen, schon bei diesen Verhältnissen mit Stoffwechselveränderungen. Die Ergebnisse hier zeigen eindeutig, dass molekulare und biochemische Reaktionen in Pflanzen sehr schnell (innerhalb von 60 Minuten) nach Einwirken elektromagnetischer Felder von 2,45 GHz auftreten, ohne dass das Gewebe erwärmt wird. Verändert exprimiert werden Gene, die an der Signalübertragung oder dem ROS-Stoffwechsel, an der Produktion von H2O2 und dessen Entgiftung beteiligt sind. Aus den Ergebnissen kann man schließen, dass die geringe, aber signifikant erhöhte H2O2-Produktion nach Bestrahlung eher für den Mechanismus der Signaltransduktion spricht als für eine Stressreaktion. Weil Pflanzen im Gegensatz zu Tieren große Oberflächen haben und unbeweglich sind, haben sie andere Strategien zum Überleben entwickelt. (IW)