Autor(en):
Leszczynski D*
* Adjunct Professor of Biochemistry, University of Helsinki, Helsinki.
Finnland
Veröffentlicht in:
Rev Environ Health 2022; 37 (3): 423-450
Veröffentlicht: 06.07.2021
auf EMF:data seit 12.02.2024
Weitere Veröffentlichungen: Studie gefördert durch:

The Finnish Electrosensitivity Foundation (Sähköherkkyyssäätiö), Helsinki, Finland.

Schlagwörter zu dieser Studie:
Elektrohypersensibilität (EHS)
Reviews/Übersichtsarbeiten
zur EMF:data Auswertung

Review zur wissenschaftlichen Evidenz der individuellen Elektrosensibilität (EHS).

Review of the scientific evidence on the individual sensitivity to electromagnetic fields (EHS).

Original Abstract

Part of the population considers themselves as sensitive to the man-made electromagnetic radiation (EMF) emitted by powerlines, electric wiring, electric home appliance and the wireless communication devices and networks. Sensitivity is characterized by a broad variety of non-specific symptoms that the sensitive people claim to experience when exposed to EMF. While the experienced symptoms are currently considered as a real life impairment, the factor causing these symptoms remains unclear. So far, scientists were unable to find causality link between symptoms experienced by sensitive persons and the exposures to EMF. However, as presented in this review, the executed to-date scientific studies, examining sensitivity to EMF, are of poor quality to find the link between EMF exposures and sensitivity symptoms of some people. It is logical to consider that the sensitivity to EMF exists but the scientific methodology used to find it is of insufficient quality. It is time to drop out psychology driven provocation studies that ask about feelings-based non-specific symptoms experienced by volunteers under EMF exposure. Such research approach produces only subjective and therefore highly unreliable data that is insufficient to prove, or to disprove, causality link between EHS and EMF. There is a need for a new direction in studying sensitivity to EMF. The basis for it is the notion of a commonly known phenomenon of individual sensitivity, where individuals' responses to EMF depend on the genetic and epigenetic properties of the individual. It is proposed here that new studies, combining provocation approach, where volunteers are exposed to EMF, and high-throughput technologies of transcriptomics and proteomics are used to generate objective data, detecting molecular level biochemical responses of human body to EMF.

Keywords

ELF-EMF | RF-EMF | electromagnetic hyper-sensitivity | provocation studies | survey studies

© 2021 Dariusz Leszczynski, published by De Gruyter, Berlin/Boston.

Exposition:

EMF allgemein

EMF:data Auswertung

Einleitung

Individuelle Überempfindlichkeiten für radioaktive Strahlung, für UV-Strahlung oder auch für Ultraschall sind gut belegt. Logischerweise erwartet man daher, auch eine individuelle Hypersensibilität gegenüber drahtloser Strahlung oder elektromagnetischen Feldern (EMF) vorzufinden. Personen, die angeben, von einer elektromagnetischen Hypersensibilität (EHS) betroffen zu sein, sind in der Regel stärker von der Strahlungsexposition durch Basisstationen und Wi-Fi-Geräte betroffen, da die Strahlungsexposition hier unfreiwillig ist und rund um die Uhr anhält. Die Exposition durch Mobiltelefone wird von EHS-Personen oft fälschlicherweise als weniger besorgniserregend angesehen, da der Benutzer selbst entscheiden kann, wie und wann er das strahlende Mobiltelefon benutzt. Die Empfindlichkeit ist durch eine Vielzahl von unspezifischen Symptomen (etwa 70) gekennzeichnet, die die empfindlichen Personen angeben, wenn sie EMF ausgesetzt sind. Bislang konnten Wissenschaftler keinen kausalen Zusammenhang zwischen den Symptomen empfindlicher Personen und der EMF-Exposition feststellen. Wie in dieser Übersicht dargestellt, sind die bisher durchgeführten wissenschaftlichen Studien zur Untersuchung der EMF-Empfindlichkeit allgemein von zu schlechter Qualität, um einen Zusammenhang zwischen der EMF-Exposition und den Symptomen von EHS-Personen zu finden. Es ist logisch anzunehmen, dass EHS existiert, der wissenschaftliche Beweis konnte aber noch nicht erbracht werden.

Quelle: ElektrosmogReport Februar 2024 | 30. Jahrgang, Nr. 1

Studiendesign und Durchführung

Die folgenden wissenschaftlichen Datenbanken wurden für die Studiensuche verwendet: PubMed, EMF-Portal und ORSAA. Es wurden nur von Experten begutachtete experimentelle Studien berücksichtigt, die bis März 2021 veröffentlicht wurden. Die wissenschaftliche Erforschung von EHS basiert auf drei Studientypen:

- Erhebungsstudien, bei denen die untersuchten Personen nicht experimentell EMF ausgesetzt sind.
- Provokationsstudien, bei denen Personen mit selbst diagnostiziertem EHS oder Kontrollpersonen experimentell einer bestimmten Art von EMF in bekannter Menge ausgesetzt werden.
- Biochemische und physiologische Studien, bei denen nach biochemischen Markern für EHS gesucht wird, die bei Personen mit selbst diagnostiziertem EHS ausgeprägt sind.

Ergebnisse

In Bezug auf Erhebungsstudien wurde eine interessante Beobachtung gemacht: es zeigte sich, dass die von NGOs rekrutierten Personen viel stärkere EHS-Symptome aufwiesen als Personen, die über einen Internetaufruf rekrutiert wurden. Dieser Unterschied könnte zu einer Verzerrung führen, die sich auf die Ergebnisse von Studien auswirkt, wenn Forscher unterschiedliche Methoden zur Rekrutierung von EHS-Patienten verwenden.

Eine Studie kam zum Schluss, dass für die Durchführung einer qualitativ hochwertigen EHS-Studie ein interdisziplinäres Forscherteam erforderlich ist. Wissenschaftler maßen die Exposition von Patienten in ihren Wohnungen und stellten fest, dass die Strahlungswerte zwar innerhalb der geltenden Sicherheitsnormen lagen, dass aber bei einigen Teilnehmern (etwa einem Drittel) einige der angegebenen Gesundheitssymptome mit der EMF-Exposition zusammenhingen. Eine Fallstudie aus Australien hat gezeigt, dass die Analyse eines Einzelfalls bei korrekter Durchführung zuverlässige Beweise für das Vorliegen von EHS liefern kann. Das Auffinden und Untersuchen solcher Einzelfälle, die konsequent auf EMF-Expositionen reagieren, könnte bei der Suche nach dem Beweis für das Vorhandensein von EHS und für den Kausalzusammenhang zwischen EHS und EMF-Expositionen helfen. Forschungsstudien, die verschiedene Biomarker bei EHS-Personen untersuchten, von denen die meisten von der Belpomme-Gruppe in Paris stammen, haben das Problem, dass es bislang keine Beweise für eine Korrelation zwischen der EMF-Exposition und den Biomarkern gibt, die als charakteristisch für EHS erwähnt werden. Die Auswahl der Studienteilnehmer stützte sich ausschließlich auf die Meinung von selbstdiagnostizierten EHS-Erkrankten. Die Wissenschaftler wissen nicht, ob die Selbstdiagnosen von EHS korrekt sind oder nicht. Wie von Dahmen et al. vorgeschlagen, handelt es sich bei EHS möglicherweise nicht um eine einzelne Störung, sondern um eine komplexe Mischung verschiedener Ätiologien. Aus diesem Grund ist es wichtig zu bestimmen, ob einer der untersuchten Biomarker in irgendeiner Weise mit früheren oder gegenwärtigen EMF-Expositionen korreliert. Ohne dieses Wissen könnte es sehr schwierig sein, EHS-Biomarker zu entdecken, wenn Wissenschaftler gleichzeitig mehrere verschiedene Ätiologien untersuchen.

Schlussfolgerungen

In den letzten 30 Jahren hat eine beträchtliche Anzahl von Forschungsstudien den Kausalzusammenhang zwischen EMF-Expositionen und EHS-Symptomen untersucht, aber die Mehrheit der Studien hat keinen Zusammenhang gefunden (wobei die Mehrheit dieser Studien auch industrienah waren, und die Psychiatrisierung von EHS als bevorzugte Hypothese voranstellten, Anmerkung der Redaktion). Frühere EHS-Studien haben akute Effekte untersucht (d.h Minuten nach einer Exposition), waren aber nicht in der Lage, verzögerte EMF-Reaktionen zu untersuchen. Es ist an der Zeit, psychologisch motivierte Provokationsstudien, die nach gefühlsbasierten, unspezifischen Symptomen fragen, die von Freiwilligen unter EMF-Exposition erlebt werden, aufzugeben. Ein solcher Forschungsansatz liefert nur subjektive und daher höchst unzuverlässige Daten, die nicht ausreichen, um den Kausalzusammenhang zwischen EHS und EMF zu beweisen oder zu widerlegen.

Der Autor nennt vier wesentliche Schwächen der derzeitigen EHS-Forschung:

1) Es ist nicht bekannt, ob die Probanden tatsächlich an EHS leiden, da die meisten Studien sich auf Personen stützen, die sich selbst als EHS-Patienten bezeichnen, während es immer noch keinen objektiven klinischen Test gibt, um EHS definitiv zu diagnostizieren. Daher könnten die Versuchsgruppen in einem unbekannten Ausmaß durch Personen durchsetzt und verfälscht sein, die nicht an EHS leiden.
2) Es gibt zwei Arten von Selektionsverzerrungen in den bisher durchgeführten EHS-Studien. Die erste wird dadurch verursacht, dass Wissenschaftler Personen mit bereits bestehenden Gesundheitsproblemen ausschließen. Der zweite Selektionsfehler wird durch EHS-Erkrankte verursacht, die sich entweder weigern, an Studien teilzunehmen oder die sich zunächst bereit erklären, teilzunehmen, ihre Zustimmung aber später zurückziehen, entweder aus Angst vor möglichen Gesundheitsrisiken durch Expositionen oder weil sie dem wissenschaftlichen Team misstrauen.
3) Psychologische Untersuchungsmethoden, die in Provokationsstudien verwendet werden, wurden nicht auf ihre Eignung zum Nachweis von EHS untersucht und nachgewiesen.
4) Die Schlussfolgerungen der mit psychologischen Methoden durchgeführten Provokationsstudien könnten durch das Vorhandensein von Placebo- und Nocebo-Effekten beeinflusst und/oder sogar entkräftet werden.

Der Autor empfiehlt, dass zukünftige Provokationsstudien mit Hochdurchsatztechnologien der Transkriptomik und Proteomik kombiniert werden (Ansätze, die in Tierversuchen sehr gut funktionieren, Anm. der Red.), zur Gewinnung objektiver Daten, um biochemische Reaktionen des menschlichen Körpers auf EMF auf molekularer Ebene zu ermitteln. (AT)