Autor(en):
Gulati S*, Mosgoeller W, Moldan D, Kosik P, Durdik M, Jakl L, Skorvaga M, Markova E, Kochanova D, Vigasova K, Belyaev I.
* Department of Radiobiology, Cancer Research Institute, Biomedical Research Centre, Slovak Academy of Sciences, Bratislava 845 05, Slovak Republic.
Europa
Veröffentlicht in:
Ecotox Environ Safe 279 (2024) 116486
Veröffentlicht: 30.05.2024
auf EMF:data seit 03.06.2024
Weitere Veröffentlichungen: Studie gefördert durch:

Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e.V., Germany.

Schlagwörter zu dieser Studie:
Zytogenetische Wirkung  |  DNA-Schädigung  |  Genotoxizität  |  (Oxidative) Stress-Reaktion
Medizinische/biologische Studien
zur EMF:data Auswertung

Bewertung von oxidativem Stress und genetischer Instabilität bei Anwohnern in der Nähe von Mobilfunk-Basisstationen in Deutschland.

Evaluation of oxidative stress and genetic instability among residents near mobile phone base stations in Germany.

Original Abstract

Human exposure to radiofrequency electromagnetic fields (RF-EMF) is restricted to prevent thermal effects in the tissue. However, at very low intensity exposure "non-thermal" biological effects, like oxidative stress, DNA or chromosomal aberrations, etc. collectively termed genomic-instability can occur after few hours. Little is known about chronic (years long) exposure with non-thermal RF-EMF.

We identified two neighboring housing estates in a rural region with residents exposed to either relatively low (control-group) or relatively high (exposed-group) RF-EMF emitted from nearby mobile phone base stations (MPBS). 24 healthy adults that lived in their homes at least for 5 years volunteered. The homes were surveyed for common types of EMF, blood samples were tested for oxidative status, transient DNA alterations, permanent chromosomal damage, and specific cancer related genetic markers, like MLL gene rearrangements. We documented possible confounders, like age, sex, nutrition, life-exposure to ionizing radiation (X-rays), occupational exposures, etc.

The groups matched well, age, sex, lifestyle and occupational risk factors were similar. The years long exposure had no measurable effect on MLL gene rearrangements and c-Abl-gene transcription modification. Associated with higher exposure, we found higher levels of lipid oxidation and oxidative DNA-lesions, though not statistically significant. DNA double strand breaks, micronuclei, ring chromosomes, and acentric chromosomes were not significantly different between the groups. Chromosomal aberrations like dicentric chromosomes (p=0.007), chromatid gaps (p=0.019), chromosomal fragments (p<0.001) and the total of chromosomal aberrations (p<0.001) were significantly higher in the exposed group. No potential confounder interfered with these findings.

Increased rates of chromosomal aberrations as linked to excess exposure with ionizing radiation may also occur with non-ionizing radiation exposure. Biological endpoints can be informative for designing exposure limitation strategies. Further research is warranted to investigate the dose-effect-relationship between both, exposure intensity and exposure time, to account for endpoint accumulations after years of exposure. As established for ionizing radiation, chromosomal aberrations could contribute to the definition of protection thresholds, as their rate reflects exposure intensity and exposure time.

Keywords

Radiofrequency electromagnetic fields, RF-EMF | Low dose chronic exposure | Genetic instability | Oxidative stress | DNA damage | Chromosomal aberrations

Exposition:

HF/Mikrowellen (1 - 300 GHz)
Mobilfunk-Basisstation

EMF:data Auswertung

Einleitung

Neuerdings wird aufgrund weiterer Forschungsergebnisse diskutiert, ob nicht-ionisierende Strahlung in der WHO-Klassifizierung als „wahrscheinlich krebserregend“, Gruppe 2a, eingestuft werden soll statt bisher „möglicherweise krebserregend“. In Städten und Gemeinden werden viele Mobilfunkbasisstationen errichtet, befinden sich also nahe an den Bewohnern. Einige Studien hatten ergeben, dass das Krebsrisiko erhöht ist, wenn Menschen in der Nähe von Basisstationen leben, andere Studien konnten das nicht bestätigen. Die hier vorliegende Studie untersuchte, ob Mobilfunkstrahlung von Basisstationen bei Langzeiteinwirkung ein Krebsrisiko darstellt, wenn Menschen mehr als 5 Jahre entweder in der Nähe einer Basisstation oder weiter entfernt wohnen. Anhand von menschlichen Lymphozyten wurden oxidativer Stress, vorübergehende und permanente Zellschäden und verschiedene krebsbezogene Parameter (DNA- und Chromosomen-Schädigung, genetische Krebsmarker) untersucht.

Quelle: ElektrosmogReport Februar 2024 | 30. Jahrgang, Nr. 3

Studiendesign und Durchführung

Dafür wurden mit 24 freiwilligen Teilnehmern (6 Frauen, 6 Männer zwischen 24 und 63 Jahren) 2 Gruppen zu je 12 Personen gebildet; die Kontrollgruppe (Gruppe C für Kontrolle, Entfernung 767 ± 241 m) enthielt 6 männliche und 6 weibliche Probanden, die Gruppe mit relativ starker Belastung (Gruppe E für Exposition, Entfernung 125 ± 35 m) 5 Männer und 7 Frauen. (Die Gruppenzugehörigkeit wurde anhand der gemessenen Werte festgelegt, s. u.). Die Teilnehmer füllten einen Fragebogen aus, in dem Daten zu Alter, Geschlecht, Körpergewicht und -größe, Lebensstil, Ernährung, Medikamenteneinnahme, Anwendung ionisierender Strahlung, beruflichen und umweltbedingten Einwirkungen und Selbsteinschätzung der elektromagnetischen Empfindlichkeit abgefragt wurden. Ausgeschlossen wurden Personen mit akuten und chronischen Erkrankungen sowie Personen, die in den letzten 3 Monaten vor der Blutentnahme medizinische Behandlungen bekommen hatten.

Die ersten Messungen erstreckten sich auf statische sowie nieder- und hochfrequente elektrische und magnetische Felder im Schlafbereich der Teilnehmer (Radiowecker, Ventilatoren, Radio/TV, WLAN usw.). Statische Felder wurden nicht gefunden. Am nächsten Tag begannen weitere Messungen im Hochfrequenzbereich mit Datenloggern, die bis zu 7 Tage dauerten; gemessen wurden die Frequenzen von GSM, LTE, DECT und WLAN. Die Werte der beiden vorherrschenden Frequenzen 16,7 und 50 Hz wurden separat ermittelt. Nach den Messungen erfolgte die Blutabnahme. Die Blutproben wurden anonymisiert und noch am selben Tag im Partnerlabor aufbereitet. Die peripheren Lymphozyten wurden isoliert und zur Bestimmung von oxidativem Stress und verschiedenen DNA- und Leukämie-bezogenen Tests herangezogen. Für die Untersuchungen der DNA wurden Tests durchgeführt, die an verschiedenen Stellen der DNA angreifen (verschiedene Komettests für Einzelstrangbrüche und Alkali-labile Stellen bzw. oxidierte und alkylierte Stellen, Mikrokerne, Chromosomenaberrationen, DNA-Doppelstrangbrüche und spezifische Genanalysen, die auf veränderte Gene für Leukämieentwicklung hinweisen (MLL1-Gen, c-Abl und Bcr-Abl). Die quantitative PCR für die MLL-Gene wurde im dreifachen Ansatz durchgeführt, die Qualität der RNA der Lymphozyten wurde, ebenfalls im dreifachen Ansatz, mit dem c-Abl-Gen kontrolliert. Die Auswertung wurde bei jedem Schritt doppelblind vorgenommen, d. h. Kurier und Personal des Partnerlabors kannten nur ID-Nummern der Proben. Die Überlebensrate der Lymphozyten betrug im Labor 95 %.

Ergebnisse

Fast alle persönlichen Daten der Teilnehmer waren zwischen den beiden Gruppen ähnlich (Alter, Geschlecht, Lebensstil usw.), nur der Abstand zu den Basisstationen war signifikant verschieden und die Aussage zur eigenen Elektrosensibilität war höher in Gruppe E, aber nicht-signifikant. Die Messungen der niederfrequenten elektrischen und magnetischen Felder und von DECT und WLAN in den Häusern ergaben relativ niedrige Werte und zeigten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Im Gegensatz dazu waren die Werte für GSM (0,00–4,5 µW/m² zu 7,1–295,8 µW/m²) signifikant und für LTE (0,1 µW/m²–7,7 µW/m² gegenüber 54,0 µW/m²–804,0 µW/m²) hochsignifikant höher in der Gruppe E. Signale oberhalb von 2,5 GHz wurden nicht gefunden.

Die Lipidperoxidation (oxidativer Stress) war in der höher belasteten Gruppe nicht-signifikant erhöht. Bei den DNA-Analysen ergaben sich folgende Daten: die oxidative DNA-Schädigung war erhöht, die Einzelstrangbrüche signifikant erhöht, es gab keine Erhöhung von DNA-Verlusten oder -Verdoppelungen, von Brüchen oder Veränderungen von Genen, die mit Leukämien verbunden sind (MLL-Gengruppe). Bei der Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen und dem Mikrokerntest gab es keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Die Rate der Chromosomenaberrationen, wie dizentrische Chromosomen, Chromatid-Lücken und DNA-Bruchstücke, waren signifikant erhöht gegenüber der Kontrollgruppe, ebenso die gesamten Chromosomenaberrationen. Die Bestimmung der Qualität der RNA bestätigte die Funktionsfähigkeit. Die Korrelationsanalyse ergab akzeptable Werte.

Da sich die Lebensumstände der Gruppen wie Alter, Geschlecht Lebensstil usw. (Störfaktoren, Confounder) nicht oder kaum unterschieden, konnte keiner der Faktoren die signifikant erhöhten Chromosomenaberrationen beeinflusst haben, die in der stärker belasteten Gruppe vermehrt bei Langzeiteinwirkung von GSM und LTE auftraten. Das untermauert, dass Langzeiteinwirkung von GSM und LTE bei den gemessenen Intensitäten in den Wohnungen die Rate der Chromosomenaberrationen steigert.

Schlussfolgerungen

In dieser Studie wurden keine statistisch signifikanten DNA-Schädigungen und/oder oxidativer Stress bei den Probanden gefunden, die in der Nähe von Basisstationen wohnen. Es wurden auch keine statistisch signifikanten Wirkungen auf spezifische Genparameter festgestellt. Allerdings waren Chromosomenaberrationen signifikant erhöht bei Bewohnern mit höherer Einwirkung der hochfrequenten Felder von GSM und LTE über eine lange Zeit. Viele Faktoren können genetische Instabilität beeinflussen. In dieser Studie gab es keine bedeutenden Unterschiede zwischen den Gruppen in Bezug auf Alter, Geschlecht, Lebensstil und die weiteren Vorbedingungen der Teilnehmer, sodass das Ergebnis dieser Studie die Schlussfolgerung bekräftigt, dass die Chromosomenaberration auf die Langzeiteinwirkung der Strahlung von GSM- und LTE-Mobilfunkbasisstationen herrührt, die in den Wohnungen der Personen der Gruppe E gemessen wurde. Dass Chromosomenaberrationen, aber keine Mikrokerne gefunden wurden, kann ein Hinweis darauf sein, dass eine Schwelle für Mikrokerne existiert. Insgesamt deuten die hoch signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen darauf hin, dass die Langzeiteinwirkung der Mobilfunkstrahlung von GSM- und LTE-Basisstationen die Ursachen für die genetische Instabilität sind. Die hier gefundenen Chromosomenaberrationen können einen plausiblen biologischen Mechanismus liefern für das erhöhte Krebsrisiko bei Personen, die höheren Feldern von Basisstationen ausgesetzt sind, wie frühere Studien ergeben hatten (Li et al. 2012; Eger et al. 2004; Wolf and Wolf 2004; Rodrigues et al. 2021). (IW)