Autor(en):
Popovičová A*, Račeková E, Martončíková M, Fabianová K, Raček A, Žideková M.
* Institute of Neurobiology, Biomedical Research Center, Slovak Academy of Sciences, Šoltésovej 4, Košice 040 01.
Slowakei
Veröffentlicht in:
IBRO Neurosci Rep 2024; 17: 235-244
Veröffentlicht: 27.08.2024
auf EMF:data seit 05.05.2025
Weitere Veröffentlichungen: Studie gefördert durch:

Scientific Grant Agency of the Ministry for Education of the Slovak Republic and the Slovak Academy of Sciences [VEGA 2/0119/22].

Schlagwörter zu dieser Studie:
Gedächtnis, Lernen, Verhalten  |  Neurogenese
Medizinische/biologische Studien
zur EMF:data Auswertung

Wirkung von Mikrowellen-Strahlung auf die adulte Neurogenese und das Verhalten von pränatal exponierten Ratten.

Effect of microwave radiation on adult neurogenesis and behavior of prenatally exposed rats.

Original Abstract

Postnatal neurogenesis appears to be highly sensitive to environmental factors, including microwave electromagnetic radiation (MWR). Here, we investigated the impact of MWR during intrauterine development on juvenile and adult neurogenesis in the rostral migratory stream (RMS) and the dentate gyrus of the hippocampus in the rat brain, as well as its effect on animal behavior. Female rats were exposed to MWR at a frequency of 2.45 GHz for 2 hours daily throughout pregnancy. The offspring of irradiated mothers survived to either juvenile age or adulthood. The brains of the rats were subjected to morphological analysis, assessing cell proliferation and death in both neurogenic regions. In the RMS, the differentiation of nitrergic neurons was also investigated. The effect of MWR on behavior was evaluated in rats surviving to adulthood. Prenatal MWR exposure caused significant changes in the number of proliferating and dying cells, depending on the age of the animals and the observed neurogenic region. In addition, MWR attenuated the maturation of nitrergic neurons in the RMS in both juvenile and adult rats. Morphological alterations in neurogenesis were accompanied by changes in animals’ behavior. Affected neurogenesis and changes in animal behavior suggest a high sensitivity of the developing brain to MWR.

Keywords

Rostral migratory stream | Dentate gyrus | Prenatal irradiation | Postnatal neurogenesis | Microwave radiation

Exposition:

HF/Mikrowellen (1 - 300 GHz)
2450 MHz
SAR: Ø 1,73 W/kg

EMF:data Auswertung

Einleitung

Es finden sich immer mehr Belege dafür, dass die Neubildung von Nervenzellen auch im erwachsenen menschlichen Gehirn stattfindet. Es ist bekannt, dass die sogenannte postnatale Neurogenese im adulten Säugetiergehirn in zwei Hauptarealen stattfindet: 1) im subventrikulären Bereich der lateralen Ventrikel (mit Migration über den rostralen Migrationsstrom [RMS]) und 2) in der subgranulären Zone (SGZ) des Gyrus dentatus (DG). Beim DG handelt es sich um einen Teil des Hippocampus. Adulte Neurogenese ist entscheidend für kognitive und emotionale Prozesse und Veränderungen der Neurogenese sind mit neurodegenerativen Krankheiten assoziiert. Neben anderen Signalmolekülen ist auch das freie Radikal Stickstoffmonoxid NO an der Regulation der adulten Neurogenese beteiligt. Frühe Studien der Arbeitsgruppe haben gezeigt, dass hochfrequente elektromagnetische Felder die Neurogenese in der olfaktorischen Region von Ratten nachteilig beeinflussen kann. In der vorliegenden Studie untersuchen die Autoren die Auswirkungen von 2,45-GHz-Befeldung im Uterus auf die postnatale Neubildung von Nervenzellen.

Quelle: ElektrosmogReport Mai 2025 | 31. Jahrgang, Nr. 2

Studiendesign und Durchführung

Die Muttertiere der später untersuchten, intrauterin befeldeten Wistar-Ratten, wurden während ihrer gesamten Trächtigkeit 2 h pro Tag mit einem gepulsten 2,45-GHz-Feld und einer Leistungsdichte von 28 W/m² (SAR-Wert: 1,73 W/kg) befeldet. Die Kontrollen wurden schein-exponiert. Die Nachkommen (n = 12) wurden entweder im jugendlichen Alter (5 Wochen) oder als erwachsene Tiere (3 Monate) analysiert. In beiden Altersgruppen wurden RMS und DG immunohistochemisch (Ki-67 für Zellteilung, Fluoro-Jade C für Zelltod), und NADPH-Diaphorase-Histochemie (nitrergische Neuronen) quantitativ untersucht. Bei den adulten Tieren wurden außerdem Verhaltenstest (Offener Feldtest, erhöhtes-Plus-Labyrinth und Hell-Dunkel-Kammer) verblindet durchgeführt.

Ergebnisse

Sowohl bei den juvenilen als auch den adulten Tieren waren die untersuchten Neurogenese-Parameter signifikant verändert. Bei den Jugendlichen wurde nach Befeldung eine signifikante Steigerung proliferativer Zellen, sowohl im RMS (Unterregion „Ellbogen“) als auch im DG festgestellt. Gleichzeitig war der Zelltod im RMS signifikant gesteigert. Auch die Anzahl der Neuronen, die NO als Neurotransmitter freisetzen (nitrergische Neuronen) war im RMS signifikant vermindert, einhergehend mit morphologischen Veränderungen der Neuronen, die auf eine Reifungsverzögerung hinwiesen. Im Gegensatz dazu war der Anteil proliferativer Zellen bei den befeldeten Erwachsenen im Vergleich zu ihren scheinbefeldeten Kontrollen sowohl im RMS als auch im DG signifikant verringert. Der Zelltod war im RMS auch bei den Erwachsenen signifikant erhöht, im DG wurden keine Unterschiede zwischen befeldeten Tieren und Kontrollen festgestellt. Der Befund bezüglich der nitrergischen Neuronen war identisch zu den juvenilen Tieren: signifikant verringerte Anzahl und veränderte Morphologie, die auf eine Differenzierungsverögerung hinwies. Die Befeldung führte bei den adulten Tieren zu einem reduzierten Angstverhalten und Hyperaktivität.

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass eine pränatale WLAN-Befeldung langfristige Störungen der postnatalen Neurogenese verursachen kann. Die Störung der Zellteilung weist auf biphasisches Muster, mit initialem Anstieg und späterem erschöpfungsbedingten Abfall. Der erhöhte Zelltod im RMS war bei Jugendlichen und Erwachsenen persistent. Die Verhaltensänderungen korrelieren mit den Veränderungen der Neurogenese. Die Autoren sehen Analogien zu ADHS-ähnlichem Verhalten beim Menschen. Sie betonen die Relevanz ihrer Befunde angesichts ubiquitärer Hochfrequenzbelastung und steigender ADHS-Fälle, äußern jedoch auch, dass eine Übertragbarkeit der Daten auf den Menschen weiterer, tiefgreifender Studien bedarf.

Anmerkungen der Redaktion:

Das Expositionsdesign (gepulstes 2,45-GHz-EMF, SAR-Wert < 2 W/kg, 2 h/Tag, dosimetrische Verifikation, Verwendung von Scheinkontrollen) und die Vielschichtigkeit der Analysen (Histologie, Verhalten) sind positiv zu erwähnen. Die Verwendung juveniler und adulter Tiere deckt außerdem ein mögliches biphasisches Muster auf und entwicklungsabhängige Wirkungen ab. Auch die Verblindung bei den Verhaltenstests steigert die Robustheit der generierten Daten. Da die Geschlechterverteilung zwischen befeldeten und scheinbefeldeten Gruppen identisch ist, sind mögliche geschlechterspezifische Verzerrungen der untersuchten Parameter unwahrscheinlich. Die Analogie zwischen ADHS beim Menschen und dem beobachteten hyperaktiven Verhalten scheint jedoch eher spekulativer Natur. (RH)