Autor(en):
Lameth J*, Royer J, Martin A, Marie C, Arnaud-Cormos D, Lévêque P, Poirier R, Edeline JM, Mallat M.
* Institut du Cerveau, ICM, Inserm U 1127, CNRS UMR 7225, Sorbonne Université, 75013 Paris.
Frankreich
Veröffentlicht in:
Int J Mol Sci 2025; 26 (6): 2459
Veröffentlicht: 10.03.2025
auf EMF:data seit 05.05.2025
Weitere Veröffentlichungen: Studie gefördert durch:

The French National Research Program for Environmental and Occupational Health of Anses (grant 2020/2 RF/14).

Medizinische/biologische Studien
zur EMF:data Auswertung

Wiederholte Exposition des Kopfes bei einem 5G-3,5 GHz-Signal verändert nicht das Verhalten, aber die intrakortikale Genexpression bei erwachsenen männlichen Mäusen.

Repeated Head Exposures to a 5G-3.5 GHz Signal Do Not Alter Behavior but Modify Intracortical Gene Expression in Adult Male Mice.

Original Abstract

The fifth generation (5G) of mobile communications promotes human exposure to electromagnetic fields exploiting the 3.5 GHz frequency band. We analyzed behaviors, cognitive functions, and gene expression in mice submitted to asymmetrical head exposure to a 5G-modulated 3.5 GHz signal. The exposures were applied for 1 h daily, 5 days per week over a six-week period, at a specific absorption rate (SAR) averaging 0.19 W/kg over the brain. Locomotor activities in an open field, object location, and object recognition memories were assessed repeatedly after four weeks of exposure and did not reveal any significant effect on the locomotion/exploration, anxiety level, or memory processes. mRNA profiling was performed at the end of the exposure period in two symmetrical areas of the right and left cerebral cortex, in which the SAR values were 0.43 and 0.14 W/kg, respectively. We found significant changes in the expression of less than 1% of the expressed genes, with over-representations of genes related to glutamatergic synapses. The right cortical area differed from the left one by an over-representation of responsive genes encoded by the mitochondrial genome. Our data show that repeated head exposures to a 5G-3.5 GHz signal can trigger mild transcriptome alterations without changes in memory capacities or emotional state.

Keywords

5G | electromagnetic field | memory | behavior | transcriptome | mitochondria | glutamatergic synapse

Exposition:

3500 MHz
5G
Ø SAR-Wert = 0,19 ± 0,12 W/kg (gesamtes Gehirn)

EMF:data Auswertung

Einleitung

Die Einführung und Ausweitung von 5G-Telekommunikationssystemen erfordert eine Neubewertung der biologischen Auswirkungen dieser Technologie auf das Gehirn. Anhand von Nagetiermodellen lassen sich spontane Verhaltensweisen und emotionale Zustände oder kognitive Fähigkeiten wie Lernen und Gedächtnis beurteilen und die zellulären und molekularen Mechanismen analysieren, die für die durch Umwelteinflüsse ausgelösten Verhaltensänderungen verantwortlich sind. Hinsichtlich der Auswirkungen von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (RF-EMF) auf die Lernfähigkeit und das räumliche Gedächtnis von Nagetieren zeigen veröffentlichte Arbeiten heterogene Ergebnisse, die entweder keinen Effekt oder im Gegensatz dazu signifikante Veränderungen der Lern- oder Gedächtnisfähigkeiten berichten. Diese Vielfalt spiegelt höchstwahrscheinlich den Einfluss einer Kombination von Versuchsparametern wider, die von Studie zu Studie variieren. Obwohl 2G-, 3G- und 4G-Systeme nach wie vor in Gebrauch sind, nimmt die Nutzung von 5G-Mobilfunkkommunikation schnell zu und wird bis Ende 2024 voraussichtlich 2,3 Milliarden Abonnements erreichen. In der hier besprochenen Studie wurde untersucht, ob eine einmonatige chronische Exposition mit einem 5G-3,5-GHz-Signal (1 Stunde/Tag; 5 Tage pro Woche) das Verhalten, Gedächtnis und die intrazerebrale Genexpressionen von Mäusen verändern kann.

Quelle: ElektrosmogReport Mai 2025 | 31. Jahrgang, Nr. 2

Studiendesign und Durchführung

Die Experimente wurden mit sieben Wochen alten männlichen C57BL/6 J-Mäusen (n = 32) durchgeführt. Die Exposition wurde an wachen, am Kopf festgebundenen Tieren durchgeführt, um eine homogene tägliche Kopfexposition zu gewährleisten. Jeden Tag wurde eine Dipol-Antenne 5 mm vom Kopf der Tiere entfernt in einer festen/standardisierten Position für eine Stunde in der Nähe des rechten temporalen Kortex positioniert. Das Expositions-System umfasste einen Hochfrequenz-Generator, um ein „echtes“ 5G-moduliertes 3,5 GHz-Signal zu erzeugen, das dem 5G NR Standard entspricht. Jeder exponierten Maus (n = 12) wurde eine pseudoexponierte (PSD-)Maus (n = 12) unter identischen Bedingungen gegenübergestellt. Die spezifischen Absorptionsraten (SAR) wurden sowohl numerisch mit einem simulierten Mausmodell als auch experimentell in einem homogenen Mausmodell mit einer Luxtron-Sonde bestimmt. Der Unterschied zwischen den beiden SAR-Werten betrug weniger als 30 %. Nach 20 Tagen 5G-Exposition (1 Stunde/Tag) wurden die Bewegungsaktivitäten in einem offenen Feld (OF)-Test mit denen von pseudoexponierten Mäusen verglichen. Ebenso wurden die Lern- und Gedächtnisfähigkeiten mit Objekterkennungs- und Objektlokalisierungs-Aufgaben getestet. Eine Kamera, die an ein Video-Tracking-System angeschlossen war, wurde über dem OF angebracht, um die Aktivität der Mäuse aufzuzeichnen. Nach Beendigung der Verhaltens-Tests wurden die Gehirne schnell aus dem Schädel entfernt (nach Betäubung), und die mRNA-Sequenzierung wurde unter Verwendung von Gewebe durchgeführt, das von 5G-exponierten (n = 7) und pseudoexponierten (n = 8) Tieren entnommen wurde, die über 6 Wochen einer 27-stündigen Exposition oder einer PSD-Exposition unterzogen worden waren. Das mRNA-Ganzgenom-Profiling wurde in symmetrischen Bereichen der rechten und linken Großhirnrinde durchgeführt, die sich aufgrund der lokalen Energie-Deposition unterschieden. Die Unterschiede in den Transkriptionsniveaus wurden unter Verwendung des Benjamini-Hochberg-Verfahrens zur Kontrolle der Falschentdeckungsrate (FDR) analysiert.

Ergebnisse

Die intrazerebralen SAR-Werte waren in den ventralen kortikalen Bereichen ipsilateral der Antenne am höchsten und erreichten Werte von 0,43 ± 0,12 W/kg. Die SAR-Werte im kontralateralen (linken) Kortex fielen auf 0,14 ± 0,05 W/kg. Die gemittelte SAR des gesamten Gehirns betrug 0,19 ± 0,12 W/kg. Alle SAR-Werte liegen unter den Grenzwerten der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) und liegen im nicht-thermischen Bereich.

5G-exponierte Mäuse zeigten keine Hyperaktivität oder abnorme Ängstlichkeit, und ihr Niveau der Erkundung der OF/Objekte war ähnlich wie bei den pseudoexponierten Mäusen. Darüber hinaus waren das Langzeit-Objekterkennungsgedächtnis und das Langzeitgedächtnis für die räumliche Position von Objekten durch die 27-stündige chronische 5G-Exposition nicht beeinträchtigt. Bei den PSD-exponierten Tieren waren die Transkriptom-Profile im rechten und linken Kortex erwartungsgemäß fast identisch. Signifikante Unterschiede im Niveau der Transkripte (FC > 1,2, FDR-bereinigtes p < 0,05) zwischen dem rechten und linken Kortex in pseudoexponierten Mäusen beschränkten sich auf fünf Gene von insgesamt 12.423 Genen, deren Expression in diesen Hirnregionen nachgewiesen werden konnte. Ein Vergleich von 5G-exponierten und PSD-exponierten Tieren zeigte signifikante Gen-Modulationen, die durch das 5G-3,5 GHz-Signal ausgelöst wurden. Im rechten Kortex beschränkten sich die Veränderungen des Expressionsniveaus (FC > 1,2, FDR-bereinigtes p < 0,05) auf 77 Gene, d. h. auf weniger als 0,7 % der exprimierten Gene in dieser Region. Diese differenziell exprimierten Gene (DEGs) umfassten 40 hochregulierte und 37 herunterregulierte Gene als Reaktion auf die chronische 5G-Exposition. Im linken Kortex war die Gesamtzahl der DEGs etwas höher (84 Gene), trotz eines niedrigeren SAR-Wertes im Vergleich zum rechten Kortex. Diese 84 DEGs unterteilten sich in 30 hochregulierte Gene und 54 herunterregulierte Gene als Reaktion auf die 5G-Exposition. Die Identität der DEGs unterschied sich deutlich zwischen dem rechten und linken Cortex, die nur acht ihrer DEGs gemeinsam hatten, von denen sieben sowohl im rechten als auch im linken Cortex herunterreguliert waren. Beim rechten Cortex waren die signifikanten Anreicherungen der Gen-Onkologie(GO)-Terme hauptsächlich mit dem mitochondrialen oxidativen Phosphorylierungssystem (OXPHOS) verbunden. Das mitochondriale (mt-)Genom enthält 13 Gene, die für Proteinuntereinheiten der ATP-produzierenden OXPHOS kodieren. Zehn dieser mt-Gene wurden bei der Exposition mit dem 5G-Signal hochreguliert. Diese Gene kodieren zentrale Untereinheiten der Enzymkomplexe I, III, IV und V der OXPHOS, die in die innere Mitochondrienmembran eingebettet oder dort verankert sind. Darüber hinaus kodierten im rechten und linken Cortex 9 bzw. 11 DEGs für Komponenten von glutamatergen Synapsen.

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen keine signifikante Auswirkung des 5G-Signals auf die Fortbewegung, das Angstniveau oder das Erinnerungsvermögen, aber sie offenbaren biologische Reaktionen, genauer gesagt, Modulationen der Genexpression in der Großhirnrinde. Aufgrund der asymmetrischen Exposition des Kopfes verglichen die Autoren die Gen-Expression im rechten und linken Cortex, die unterschiedlich stark dem 5G-3,5 GHz-Signal ausgesetzt waren. Sie beobachteten, dass eine dreifache Abnahme des mittleren SAR-Wertes mit deutlichen Veränderungen in der Identität der DEGs verbunden war, ohne dass sich die Anzahl der reagierenden Gene verringerte. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass das Ausmaß der Genreaktion nicht kontinuierlich mit der Höhe der im Gewebe absorbierten Energie zunimmt, wenn die SAR-Werte zwischen 0,1 und 0,5 W/kg liegen. Trotz der deutlichen Unterschiede in den Genidentitäten wiesen die DEG-Profile im rechten und linken Cortex eine signifikante Anreicherung von Genen auf, die mit glutamatergen Synapsen zusammenhängen, die exzitatorische Neurotransmission zwischen dem Hippocampus und kortikalen Regionen vermitteln. Zahlreiche Studien haben die Fähigkeit von RF-EMF untersucht, die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) und den oxidativen Stress im Gewebe zu fördern. In Übereinstimmung mit der Hypothese, dass ein 5G-moduliertes 3,5 GHz-Signal die ROS-Produktion fördern könnte, zeigt diese Studie, dass eine 5G-Exposition die Expression von mt-Genen erhöht, die für Untereinheiten von vier der fünf OXPHOS-Protein-Komplexe kodieren, einschließlich der ROS-produzierenden Komplexe I und III. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass die 5G-Exposition über einen Zeitraum von sechs Wochen die Expression einer begrenzten Anzahl von Genen signifikant verändert, was sich möglicherweise auf glutamaterge Synapsen und die mitochondriale Funktion auswirken kann.

Anmerkung der Redaktion:

Ebenso wie die andere hier besprochene französische Studie (Dahon et al. 2025), ist diese Studie hervorzuheben durch optimale Durchführung und Anwendung neuester Verfahren. Die Studie verwendete zudem ein „echtes“ 5G-Signal. Wie die Autoren selbst angeben, muss weitere Forschung jedoch noch klären, ob und wie schnell sich die beobachteten Veränderungen im Transkriptom aufs Proteom übertragen, d.h. ab wann beobachtbare Veränderungen der glutamatergen Neurotransmission und Mitochondrienfunktion nach 5G-Bestrahlung auftreten. (AT)