Autor(en):
Molla-Djafari H*, Schiessl K, Allgemeine Unfallversicherungsanstalt AUVA, Schmid G, Kundi M, Knasmüller S, Mosgöller W
* Dipl.-Ing. Dr. Hamid Molla-Djafari
Allgemeine Unfallversicherungsanstalt
Adalbert-Stifter-Straße 65
1200 Wien
eMail: molla-djafari@emf-emes.at
Österreich
Veröffentlicht in:
Research Report 2016: 1 - 188
Veröffentlicht: 01.01.2016
auf EMF:data seit 19.05.2017
Weitere Veröffentlichungen: Studie gefördert durch:

Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA), Wien, Medizinische Universität Wien, Seibersdorf Labor GmbH.

Schlagwörter zu dieser Studie:
DNA-Schädigung  |  Zelllebensfähigkeit  |  Genotoxizität  |  Gedächtnis, Lernen, Verhalten
Reviews/Übersichtsarbeiten
zur EMF:data Auswertung

ATHEM-2. Athermal effects of electromagnetic field exposure associated with mobile communication.

ATHEM-2. Untersuchung athermischer Wirkungen elektromagnetischer Felder im Mobilfunkbereich.

Original Abstract

Das ATHEM-2 Projekt zur „Untersuchung athermischer Wirkungen elektromagnetischer Felder im Mobilfunkbereich” ist eine Fortsetzung des ATHEM-1 Forschungsprojektes (2002-2008). Mobiltelefone versenden und empfangen hochfrequente elektromagnetische Felder (HF-EMF). Wer ein Mobiltelefon nutzt, ist diesen Feldern ausgesetzt (exponiert). Beim ATHEM-2 Projekt ging es neben der Untersuchung von kognitiven Wirkungen darum, ob und wie die HF-EMF Exposition Zellen des menschlichen Körpers verändert. Ein Projekt-Schwerpunkt lag auf Labor-Untersuchungen zu zellulären Mechanismen möglicher gentoxischer Wirkungen. Zur Qualitätssicherung wurden die geplanten Untersuchungen im Vorfeld von externen Experten begutachtet. Alle Experimente wurden „doppelblind“ durchgeführt. Weder die freiwilligen Probanden noch die am Experiment beteiligten Wissenschaftler wussten während der Exposition und Probenaufbereitung über die Expositionsbedingungen Bescheid. Für die Human-Experimente an freiwilligen Probanden wurde die Wangenschleimhaut an fünf aufeinanderfolgenden Tagen für jeweils zwei Stunden exponiert. Die nicht exponierte gegenüberliegende Wangenseite diente als Kontrolle. Während dieser Exposition wurden Wirkungen auf die kognitive Hirnleistung untersucht. Die Exposition verkürzte die Reaktionszeit, während sich die Fehlerrate erhöhte. Bei komplexeren Abläufen wie Gedächtnistests steigt unter Exposition sowohl Reaktionszeit als auch Fehlerrate. Zwei bzw. drei Wochen nach der HF-EMF Exposition wurden Mundschleimhaut-Zellen entnommen und analysiert. Dabei fanden sich geringe gentoxische und zytotoxische Effekte und Hinweise auf eine Kumulation der Expositions-Wirkungen. Die in vitro Labortests zur Gentoxizität bestätigten die Existenz empfindlicher und strahlungsunempfindlicher Zellen. Auch die Existenz einer Latenzzeit (Beginn der Exposition bis zum Auftreten von Wirkungen) wurde bestätigt. Als zellulärer Mechanismus – also wie es bei sensiblen Zellen zu DNA-Veränderungen kommen kann - wurde festgestellt, dass HF-EMF Exposition die DNA oxidieren und somit brüchig machen kann. Bei Zellen unter zusätzlichem Stress erhöhte die HF-EMF Exposition die DNA-Bruchrate. Wir beobachteten Zellen, die unter HF-EMF Exposition spezifische zelluläre Reparaturmechanismen aktivieren. Dieser Befund bestätigt einerseits, dass DNA-Schäden aufgetreten sind, und stützt andererseits die Annahme, dass diese repariert werden können. Solcherart entstandene Veränderungen an der DNA sind nach ca. zwei Stunden verschwunden. Keine der gefundenen Wirkungen lassen den Schluss auf direkte gesundheitsschädliche Wirkungen zu. Allerdings begründen sie ein potentielles Risiko für exponierte Personen. Die Beachtung einfacher Vorsorgemaßnahmen zur Herabsetzung der Exposition kann dieses Risiko minimieren. Zu konkreten Vorsorgemaßnahmen zählen unter anderem das Handy nicht am Körper sondern in der Tasche zu tragen, und beim Telefonieren Freisprechanlage oder Headset zu verwenden.

Quelle: AUVA | Report Nr. 70 - Kurzzusammenfassung | Übersetzung durch EMF:data
Exposition:

1900-2100 MHz
Mobiltelefone
UMTS/3G
SAR = 0,25; 0,5; 1; 1,6 W/kg

EMF:data Auswertung

Einleitung

Der Forschungsbericht ATHEM-2 2016 der österreichischen Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) ist ein Folgebericht des ATHEM--Forschungsprojektes aus den Jahren 2002–2008, dessen Ergebnisse mit ATHEM-2 überprüft werden sollten. Die Forschungsarbeit bestand in Experimenten am Menschen (an Freiwilligen wurden Reaktionsvermögen und Gedächtnis getestet und Schleimhautzellen auf Genschäden untersucht) und an Zellkulturen im Labor, um mögliche Genschäden zu entdecken. Es wurden verschiedene Zelllinien auf Empfindlichkeit gegenüber Mobilfunkstrahlung getestet und schließlich mit 2 empfindlichen Glioblastom-Zelllinien, U-87 und U-251, weitergearbeitet.

Quelle: ElektrosmogReport September 2016

Studiendesign und Durchführung

Experimente am Menschen wurden mit Freiwilligen, 21 Männern und 20 Frauen zwischen 22 und 56 (29 ± 10) Jahren, durchgeführt. Es wurden möglichst reale Telefonverhältnisse hergestellt. Die Teilnehmer wurden täglich 2 Stunden 5 Tage lang mit mittlerer SAR von 0,1 und 1,6 W/kg bei 1950 MHz (UMTS, Bandbreite 5 MHz) in der Mundschleimhaut bestrahlt. 20 Personen bekamen die 0,1 (9 an der linken und 11 an der rechten Kopfseite) und 21 die 1,6 W/kg (10 links und 11 rechts). Die Kontrollen bestanden in Scheinbestrahlung, alle waren Doppelblind-Tests. Getestet wurde in 4 verschiedenen Aufgaben das Reaktions-, Aufmerksamkeits- und Erinnerungsvermögen der Teilnehmer. Aus der Mundhöhle wurden vor und 2 bzw. 3 Wochen nach Bestrahlung Proben der Schleimhäute entnommen und die Epithelzellen auf Zellanomalien und Genschäden untersucht (Mikrokerne, Nukleäre Sprosse, Broken Eggs, DNA-Oxidation, DNA-Reparatur, Doppelkerne und Pyknose). Als Kontrollen wurden Epithelzellen der gegenüber liegenden Schleimhäute herangezogen. Im Labor kamen außerdem Zellkulturen von 2 verschiedenen Glioblastomzelllinien (U-87 und U-251) zum Einsatz. Bestrahlt wurde 16 Stunden lang mit der UMTS-Strahlung, die SARWerte betrugen 0,25, 0,5 und 1 W/kg. Anschließend wurde auf DNA-Schäden (Einzel- und Doppelstrangbrüche mit dem Komet-Test, DNA-Oxidation) und die Mechanismen untersucht, sowie auf mögliche Reparaturmechanismen der DNA. DNA-Schäden können auf verschiedene Weise zustande kommen und nicht alle können repariert werden (z. B. Mikrokerne).

Ergebnisse

Bei den Tests auf das Reaktionsvermögen zeigten sich bei 1,6 W/kg geringere Zeiten, aber eine höhere Fehlerrate. Auch bei den Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitstests war das Ergebnis bei 1,6 W/kg signifikant schlechter, die richtigen Reaktionen nahmen täglich ab, bei der Aufmerksamkeit sogar hochsignifikant. Die Ergebnisse waren bei Bestrahlung an der linken Kopfseite schlechter als an der rechten. Das Erinnerungsvermögen war ebenfalls bei 1,6 W/kg signifikant schlechter, die richtigen Antworten wurden weniger bei kürzeren Reaktionszeiten. Andere Zeichen wie Müdigkeit und die Bereitschaft, sich anzustrengen, und die Anspannung waren auch signifikant verändert. Bei komplexen Aufgaben waren Geschwindigkeit und Richtigkeit signifikant vermindert. Mit diesen Ergebnissen werden die Ergebnisse von ATHEM-1 bestätigt, wie auch Ergebnisse von internationalen Veröffentlichungen. Bei den Schleimhautzellen aus der Mundhöhle wurden nach den 5 Tagen, an denen täglich 2 Stunden bestrahlt worden war, genetische Schäden gefunden. Nach 3 Wochen waren Mikrokerne, nukleäre Sprosse, doppelkernige Zellen, kondensiertes Chromatin, Apoptose, Nekrose u. a. bei 1,6 W/kg signifikant erhöht. Die Autoren gehen davon aus, dass die Strahlung kumulative Wirkung hat, so dass die Häufigkeit der Schäden von der Häufigkeit der Mobiltelefonnutzung abhängt. Die Labor-Experimente an den beiden Zelllinien U-87 und U-251 erbrachten unterschiedliche Ergebnisse. Bei U-251 zeigte der Komet-Test in 3 Experimenten signifikant erhöhte DNA-Brüche bei 1 W/kg. Bei U-87 führten alle 3 SAR-Werte (0,25, 0,5 und 1 W/kg) zu signifikant erhöhten DNA-Brüchen. Die Schäden waren 2 Stunden nach Beendigung der Bestrahlung dosisabhängig zum großen Teil repariert, bei U-87 mehr als bei U-251, bei den höheren SAR signifikant. Dies deckt sich mit den Ergebnissen aus ATHEM-1.

Schlussfolgerungen

Die UMTS-Strahlung führt zu Verhaltensänderungen beim Menschen, bei den Tests ist die Reaktionszeit verkürzt, die Fehlerquote erhöht und das Erinnerungsvermögen beeinträchtigt. Das bedeutet für den Alltag, dass man am Steuer und beim Arbeiten an Maschinen, wo starke Aufmerksamkeit gefordert ist, nicht telefonieren sollte. Es werden am Ende Maßnahmen zum sicheren Umgang mit Mobilfunk empfohlen. Es gibt empfindliche und unempfindliche Zellen gegenüber HF-Strahlung. Publizierte Ergebnisse zu Wirkungen an einem sensiblen Zelltyp sind also kein Widerspruch zu Ergebnissen mit unsensiblen Zellen (Non-Responder). Bei empfindlichen Zellen entstehen durch UMTS-Strahlung z. T. Schäden an Zellen und an der DNA. Unter Stressbedingungen sind die Schädigungen durch die Strahlung erhöht. Eine Stunde nach Ende der Strahlungseinwirkung hat die Reparatur eingesetzt, nach 2 Stunden ist die Reparatur fast abgeschlossen. Der Schädigungsmechanismus steht mit DNA-Oxidation in Zusammenhang. Die Ergebnisse des ATHEM-1-Projektes werden bestätigt.