Autor(en):
Lameth J*, Gervais A, Colin C, Lévêque P, Jay TM, Edeline JM, Mallat M.
* Sorbonne Universités, UPMC Univ Paris 06, INSERM U.1127, CNRS, Institut du Cerveau et de la Moelle épinière (ICM), Hôpital Pitié-Salpêtrière, Bat. ICM, 47 boulevard de l'Hôpital, F-75013, Paris.
Frankreich
Veröffentlicht in:
Neurotox Res 2017; 32 (3): 444-459
Veröffentlicht: Oktober 2017
auf EMF:data seit 07.07.2018
Weitere Veröffentlichungen: Studie gefördert durch:

French National Research Program for Environmental and Occupational Health of ANSES (grants 2013/2/03 and 2015/2 RF/12), a grant from Institut National de l’Environnement et des Risques (INERIS, DRC-13-135967-08716A), and funding from the program “Investissements d’avenir” ANR-10-IAIHU-06.

Schlagwörter zu dieser Studie:
ZNS (Zentralnervensystem)
Medizinische/biologische Studien
zur EMF:data Auswertung

Akute Nervenentzündung fördert die Zell-Reaktionen bei 1800 MHz GSM elektromagnetischen Feldern in der Großhirnrinde der Ratte.

Acute Neuroinflammation Promotes Cell Responses to 1800 MHz GSM Electromagnetic Fields in the Rat Cerebral Cortex.

Original Abstract

Exposition:

1800 MHz
Mobiltelefone
GSM
Teilkörper-SAR = 2,9 W/kg

EMF:data Auswertung

Einleitung

Die Autoren des Artikels behaupten, dass die Wirkung von Mikrowellen auf Gesundheit und Wohlbefinden unklar sei. Insbesondere wie das Gehirn in Bezug auf Gedächtnis, Blut-Hirn Schranke, oxidativen Stress, Überleben von Nervenzellen und Erregungsleitung im Zusammenhang mit Mikrowellen reagiert, sollte hier untersucht werden. Die Arbeitsgruppe induzierte eine entzündliche Reaktion im Nervengewebe jugendlicher (2 Wochen alt) und erwachsener (2 Monate alt) Ratten durch die Injektion von Lipopolysacchariden (LPS, Zellwandbestandteile von gramnegativen Bakterien). Anschließend ging man der Frage nach, ob eine 2-stündige Bestrahlung des Kopfes positive oder negative Auswirkungen auf diese entzündliche Reaktion habe. Der Fokus der Untersuchung lag auf dem zerebralen Cortex. Da Entzündungen des Nervengewebes oft mit einer Änderung der exzitatorischen Reizleitung einhergehen, wurden unter anderem die AMPA-Rezeptoren (α-Amino-3-Hydroxy-5-Methyl-4-Isoxazolepropionsäure-Rezeptor) analysiert. Bei diesen handelt es sich um im Nervensystem weit verbreitete Kationenkanäle für Neurotransmitter.

Quelle: ElektrosmogReport Juni 2019 | 25. Jahrgang, Nr. 2

Studiendesign und Durchführung

Man untersuchte 2 Hauptgruppen: junge, in der Entwicklung befindliche (14 Tage alt) und erwachsene (2 Monate alt) männlichen Ratten. Zunächst wurde bei beiden Gruppen (je 6 Tiere pro Gruppe) die Wirkung von LPS allein auf die Expression von proentzündlichen Gene getestet. Das LPS wurde in den Bauchraum der Tiere injiziert. 24 Stunden nach Injektion wurden Entzündungsmarker in der Hirnrinde untersucht. Anschließend wurden diese Hauptgruppen in 6 Untergruppen junge Tiere (je 5-7 Individuen) und 10 Untergruppen erwachsene Tiere (je 6 Individuen) unterteilt. Diese erhielten eine einmalige Bestrahlung mit 1800 MHz (2,9 W/kg) des Kopfes oder eine Kombination aus Bestrahlung und LPS-Injektion. Bei den Gruppen mit Doppelbehandlung (Strahlung + LPS) erfolgte die Bestrahlung 24 Stunden nach Injektion. Die Hälfte der Gruppen wurden scheinbestrahlt. Die Entnahme der Gehirne fand entweder 24 oder 72 Stunden nach der Bestrahlung statt. Im Gewebe des zerebralen Cortex wurde die Genexpression verschiedener Entzündungsmarker (TNF-α, IL1ß, IL-6, CCL2, NOX2 und NOS2) bestimmt und die Morphologie der Mikroglia untersucht.

Ergebnisse

Bei den erwachsenen Ratten erfolge 24 Stunden nach der LPS Injektion ein signifikanter Anstieg der Genexpression der Entzündungsmarker. Insbesondere die Transkripte von NOX2 und IL-1ß waren 4- bzw. 12-fach angestiegen. Die jungen Ratten reagierten ähnlich. Allerdings führte bei den jungen Tieren die Gabe von LPS zu einer Abnahme der NOS2- und IL-6 Genexpression, während sich das Transkriptionslevel des TNF-α nicht signifikant von den Kontrollen unterschied. Dies war bei den Erwachsenen nicht zu beobachten. Die beschriebene Bestrahlung der Ratten führte zu einer Herunterregulation der durch LPS hervorgerufenen Expression von IL-1ß in jungen und erwachsenen Ratten. Das NOX2 Transkript wurde lediglich bei den jungen Ratten durch Bestrahlung signifikant reduziert. Diese Wirkungen waren lediglich 24 Stunden nach der Bestrahlung, nicht aber nach 72 Stunden zu finden.

Um einen Zusammenhang zwischen entzündlichen Prozessen und veränderter Erregungsleitung zu untersuchen, analysierten die Wissenschaftler Änderungen in der Expression und Phosphorylierung der AMPA-Rezeptoren. Die 1800 MHz-Strahlung bewirkte eine Abnahme der Phosphorylierung an zwei Stellen der Untereinheiten GluA1 AMPAR (Serin 831 und 845). Änderungen der Genexpression sowie der GluA1-Phosphorylierung durch die Strahlung war 72 Stunden nach Injektion nicht mehr zu sehen und wurden nicht erzeugt, wenn keine Vorbehandlung mit LPS stattgefunden hatte.

Schlussfolgerungen

Die Daten zeigen, dass eine einmalige kurzzeitige Bestrahlung des Kopfes von Ratten mit GSM 1800-MHz-Feldern von 2,9 W/kg ausreicht, um die proentzündliche Genexpression vorübergehend zu verändern und Mikrogliazellen zu aktivieren, was zu Änderungen der funktionellen Marker der Erregungsleitung führt. Die Daten zeigen, dass entzündete Hirnrindenzellen auf Bestrahlung reagieren und deren entzündliche Reaktion durch die Strahlung abgemildert wird. Diese Reaktionen erfolgen nicht, wenn gesunde Gehirne der 1800-MHz-Strahlung ausgesetzt sind. Die hier angewendeten Feldstärken von 2,9 W/kg waren oberhalb des für Menschen zugelassenen Grenzwertes (2 W/kg). Eine weitere Erforschung dieses Gebiets ist notwendig, um mögliche vorteilhafte oder schädigende Wirkung von Strahlung, je nach neuropathologischem Zustand des Gehirns zu verstehen.(IW)