Autor(en):
Xu F*, Bai Q, Zhou K, Ma L, Duan J, Zhuang F, Xie C, Li W, Zou P, Zhu C.
* Department of Neonatology, The Third Affiliated Hospital of Zhengzhou University, Zhengzhou.
China
Veröffentlicht in:
Electromagn Biol Med. 2017;36(2):158-166
Veröffentlicht: 01.01.2017
auf EMF:data seit 09.07.2018
Weitere Veröffentlichungen:
Medizinische/biologische Studien
zur EMF:data Auswertung

Altersabhängige akute Interferenz mit der Stammzellen- und Vorläuferzellen-Proliferation im Hippocampus nach Exposition gegenüber 1800 MHz elektromagnetischer Befeldung.

Age-dependent acute interference with stem and progenitor cell proliferation in the hippocampus after exposure to 1800 MHz electromagnetic radiation.
Exposition:

1800 MHz
Teilkörper-SAR = 1,16 W/kg

EMF:data Auswertung

Einleitung

Organismen, welche sich in der Entwicklung befinden, sind empfindlicher gegenüber elektromagnetischer Strahlung als Adulte. Auch bestimmte Organe sind anfälliger als andere. Das Gehirn ist besonders betroffen und hier die Region des Hippocampus am empfindlichsten. Bei Beeinträchtigung des Hippocampus können neurologische Fehlfunktionen auftreten, wie Bewegungs- und Lernstörungen. Strahlung kann die Ursache für Zelltod (Apoptose) oder Schädigung des Zellwachstums bzw. der Zelldifferenzierung von Stammzellen des Hippocampus darstellen. Apoptose ist ein wichtiger Vorgang zur Aufrechterhaltung der Homöostase, jedoch besonders wichtig während der frühen Entwicklung des Gehirns. Die Neurogenese (Neubildung von Nervenzellen) geschieht auch nach der Geburt in bestimmten Bereichen des Gehirns. Sie ist im Hippocampus mit der Gedächtnisbildung assoziiert und wird von diversen physiologischen und pathologischen Reizen beeinflusst. So z.B. durch Sauerstoffmangel bei Durchblutungsstörung oder durch Strahlung.

Quelle: ElektrosmogReport Juni 2019 | 25. Jahrgang, Nr. 2

Studiendesign und Durchführung

In dieser Studie wurden neugeborene (P7) und jugendliche (P21) Mäuse untersucht. Es wurden 3 Versuchsgruppen (Kontroll-, scheinbestrahlte und bestrahlte Gruppe) mit je 6 weiblichen und 6 Männlichen Tieren analysiert. Die Tiere wurden 3 Tage lang 8 Stunden pro Tag mit 1800-Mhz-Strahlung, die der eines Mobiltelefons in nächster Nähe ähnelt, bestrahlt. Das elektrische Feld von 28 V/m resultierte in einem SAR-Wert von 1,16 W/kg im Gehirn. 24 Stunden nach Ende der Bestrahlung wurden die Gehirne entnommen und auf Zellwachstum, Zellzahl, Apoptose und DNA-Synthese untersucht. Dabei kamen folgende Marker zum Einsatz: Die Protease Caspase-3 induziert Apoptose, somit dient aktive Caspase-3 als Signal für den programmierten Zelltod. BrdU (Bromdesoxyuridin) wird während in neugebildete DNA eingelagert und dient somit als Signal für DNA-Synthese. Die Phosphorylase PHH3 (Phosppho-Histon-H3) stellt ein Signal für Zellteilung dar. Außerdem wurde BLBP (Brain specific lipid-binding protein) untersucht. BLBP markiert die Stammzellpopulation der neuronalen Vorläuferzellen, aus denen durch Differenzierung funktionale Neurone (Nervenzellen) entstehen.

Ergebnisse

Die Untersuchung des Gehirns ergab keine signifikante Wirkung der Strahlung auf die Apoptose im Hippocampus, Hirnrinde, Striatum und Thalamus. Das Zellwachstum im Hippocampus war bei den P7-Tieren im Vergleich zu den P21-Tieren erhöht. Die Bestrahlung steigerte die DNA-Synthese in den neuronalen Stamm- und Vorläuferzellen der P7-Tiere, verminderte aber die die Zellteilung und Gesamtzahl der Stammzellen im Hippocampus im Vergleich zu den Kontrollen. Die P21-Tiere hingegen zeigten keine signifikanten Änderungen im Zellwachstum nach der Bestrahlung. Es existierten auch keine Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Tieren beider Altersgruppen. Die Stammzellpopulation hingegen wurde bei den P7-Tieren durch Bestrahlung verändert. Die Anzahl der BLBP-positiven Stammzellen nahm nach der Bestrahlung signifikant ab. Bei den P21-Tieren hingegen gab es keine statistisch signifikanten Unterschiede in der BLBP-Markierung nach Bestrahlung.

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse dieser Kurzzeit-Studie geben Hinweise, dass sehr junge in der Entwicklung befindliche Individuen empfindlicher reagieren als ältere. Die Wissenschaftler können keinen Zusammenhang zwischen Bestrahlung mit 1800 MHz-Strahlung und Zelltod herstellen, allerdings ist weitere Forschung nötig, um eine dosisabhängige Beziehung zwischen Bestrahlung und Apoptose von Nervenzellen auszuschließen. Die hier angewendeten Methoden analysieren die Auswirkung von 1800 MHz-Strahlung auf drei verschiedene Zellprozesse im Hippocampus.
BrdU wird während der S-Phase des Zellzyklus in neu synthetisierte DNA eingelagert. PHH3 ist besonders während der M-Phase (Zellteilung) des Zellzyklus aktiv. BLBP markiert die Stammzellen, aus denen durch Differenzierung funktionale Neurone entstehen. Die kurzfristige Bestrahlung resultiert in erhöhter DNA-Synthese (BrdU) bei neugeborenen Mäusen, nicht aber bei juvenilen. Gleichzeitig war die Zellteilung bei den neugeborenen Mäusen vermindert. Die juvenilen Tiere zeigten keine veränderte Zellteilung. Des Weiteren war die Stammzellpopulation in den Gehirnen der Neugeborenen vermindert, vermutlich bedingt durch die gehemmte Zellteilung. Zusammengefasst zeigt dies, dass die Empfindlichkeit gegenüber 1800-MHz-Strahlung während der Entwicklung berücksichtigt werden muss, wenn der Schutz vor elektromagnetischen Feldern beurteilt wird. Die Langzeitwirkung der Strahlung auf neurologische Funktionen muss weiter erforscht werden. (IW)