Mobiltelefone werden weltweit nicht nur zum Telefonieren, sondern zunehmend für Bankgeschäfte, Nachrichten, soziale Medien und andere Anwendungen genutzt, mit steigender Tendenz. Durch ständige Kommunikation mit Basisstationen entsteht immer mehr Umweltbelastung. Viele Forscher haben Veränderungen durch Mobilfunkstrahlung in Pflanzen und Insekten gefunden. Da Bienen, vor allem Honigbienen, als Bestäuber eine wichtige Rolle spielen (im Wert von 200 Mrd. Dollar weltweit, 9,5 % der gesamten Nahrungsmittelproduktion), sind sie zusammen mit Wildbienen und anderen Insekten unverzichtbar für den Ertrag an Feldfrüchten. Im letzten Jahrhundert haben Honigbienen immer wieder starke Verluste gehabt, in den USA wurde das Anfang des 20. Jahrhunderts “Colony Collapse Disorder” (CCD) genannt, als Hauptursachen wurden u. a. Schädlinge, Mangelernährung, Management und Pestizide ausgemacht. Ein wichtiger Schädling ist die Varroa-Milbe, die in den 1970er- und 1980erjahren im Westen in Erscheinung trat. Seit der weltweiten Verbreitung müssen Imker Bekämpfungsmaßnahmen vornehmen, sonst brechen die Kolonien in kurzer Zeit zusammen. Andere Faktoren wie Luftverschmutzung, Nanomaterial, Sonneneinstrahlung, räuberische Insekten und globale Erwärmung können ebenfalls Faktoren sein. In 2007 wurde erstmal Mobilfunkstrahlung als möglicher Faktor diskutiert. Einige Studien hatten drastische Auswirkungen auf Verhalten und Fähigkeit der Bienen, in den Stock zurückzufinden, ergeben.
Für eine Bienenkolonie sind Gesundheit und Produktivität direkt abhängig von der Königin, die als einzige Eier legt und jedes Jahr für den Bestand an Arbeiterinnen sorgt. Deshalb wurde in diesem Experiment die Entwicklung der Königin und späterer Paarungserfolg im Zusammenhang mit Mobilfunkstrahlung untersucht.
Die Bienenstöcke waren in der Nähe des Instituts der Universität Hohenheim aufgestellt, das Experiment dauerte von Mai bis August 2018 mit gesunden Kolonien aus eigenem Bestand. Die natürlichen Futterquellen bestanden hauptsächlich in Nektar von verschiedenen einheimischen Pflanzen, u. a. Löwenzahn, Brombeere und Linde. Die durchschnittliche Temperatur betrug während des Experiments 15,2–20,1 °C, Niederschlägen gab es von 90–45 L/m2. Insgesamt waren die Wetterbedingungen für Futtersammlung und Paarung gut. Zum Einsatz kam ein gleichzeitiger Doppelansatz aus 2 Sammler-Kolonien, jeweils scheinbestrahlt (Kontrolle) und bestrahlt. Die Boxen wurden im Abstand von ca. 3 km für Entwicklung und Schlüpfen der Königinnen aufgestellt, damit die Arbeiterinnen nicht in ihren Ursprungs-Stock zurückkehren können.
Die Bestrahlung der Königinnen erfolgte mit einem normalen 900-MHz-Mobiltelefon (GSM) über die gesamte Zeit der Entwicklung einschließlich der Verpuppung (14 Tage, SAR 0,59 W/kg am Kopf und 1,16 W/kg am Körper). Beide SAR-Werte lagen unter dem ICNIRP-Grenzwert von 2 W/kg. Es erfolgten 15 Telefonanrufe von 2 Minuten Dauer alle 24 Stunden über die 2 Wochen (Downlink ohne Gespräch). Die Kontrollgruppe wurde scheinbestrahlt. Das Mobiltelefon war in der Mitte der Box befestigt, so dass die Tiere verschieden starke SARs abbekamen.
Nachdem die jungen Königinnen geschlüpft waren, wurden die Schlüpfraten an Tag 13 bestimmt und die Tiere wurden zur Paarung umgesetzt, an Tag 24 der Paarungserfolg bestimmt. An Tag 88 erfolgte die Bestimmung der Koloniestärke durch zählen der Anzahl der Bienen und der Brutzellen (offene und geschlossene), immer von derselben Person morgens vor Beginn des Bienenflugs. Zudem wurden volle Kolonien von 5 der scheinbestrahlten Kontrollen und 4 der bestrahlten Königinnen gegründet, um die Unterschiede in der Populationsdynamik sehen zu können.
Beim Überleben der Königinnen zeigten sich ein signifikante Unterschiede: die bestrahlten Königinnen hatten eine signifikant höhere Sterberate (Mortalität), man sah eine signifikante Abnahme der Tiere während der Verpuppungsphase, der Unterschied betrug 44,4 % zwischen den Gruppen. Der Paarungserfolg am Tag 24 war in der Tabelle um die Hälfte geringer, verglichen mit der Gesamtzahl der geschlüpften Königinnen am Tag 13 ergaben sich jedoch keine signifikanten Unterschiede. Die Bestimmung der Anzahl der Bienen und der Brutzellen am Tag 88 ergab keine signifikanten Unterschiede.
Chronische Einwirkung hochfrequenter Strahlung reduzierte signifikant das Schlüpfen von Honigbienen-Königinnen (44 %). Die Sterberate (Mortalität) geschah während des Stadiums der Verpuppung, nicht der vorangehenden Larvenstadien. Der Paarungserfolg war nicht beeinträchtigt durch die Bestrahlung. Nach der Bestrahlung konnten die überlebenden Königinnen intakte Kolonien entwickeln.
Auch können andere Faktoren eine Rolle spielen wie Pestizide oder die höhere Dichte von Kolonien, weil Bienenhaltung besonders in Städten in Mode gekommen ist. Das kann dazu führen, dass Krankheiten oder Schadstoffe leichter übertragen werden. Aber es erhöht auch das Risiko stärkerer Mobilfunkstrahlung, die vor allem in Städten stetig zunimmt. Es bleibt noch unklar welchen Anteil elektromagnetische Felder haben.
Die beiden Autoren konnten zeigen, dass 900-MHz-Strahlung eines normalen Mobiltelefons klare negative Auswirkungen auf die Königinnen der Honigbienen hat. Die Mobilfunkstrahlung hatte die Prozentzahl der geschlüpften Tiere signifikant reduziert, aber nicht den Paarungserfolg. Wenn die bestrahlten Königinnen sich erfolgreich gepaart hatten, war die Kolonienbildung nicht nachteilig beeinflusst. Durch die Mobilfunkstrahlung kann sich das Verpuppungsstadium nachteilig entwickeln, wenn sich aber dieses Stadium normal entwickelt, entstehen keine Nachteile im Erwachsenenstadium.
Obwohl die Experimte schädliche Wirkungen auf die frühe Entwicklung der Königinnen ergeben hatten, muss man mit der Interpretation vorsichtig sein. Es gab keine großen Kolonieverluste durch die Mobilfunkstrahlung. Wir haben ein worst-case-Szenario hergestellt, unter dem eine natürliche Bienenkolonie in Wirklichkeit nie gehalten würde. Dauer und Stärke der Strahlung waren ähnlich der durchschnittlichen Bestrahlung beim Gebrauch des Mobiltelefons, die aber in einer Imkerei nicht vorkommen werden, weder in ländlicher noch städtischer Umgebung. Und trotzdem konnten überlebende Königinnen voll funktionsfähige Kolonien gründen. Das zeigt ein immenses Erholungspotenzial. Deshalb gehen die Autoren nicht davon aus, dass negative Wirkungen auf die Gesundheit der Bienen im mittleren Entwicklungsstadium auftreten. Eine akute Wirkung der Strahlung auf die Bienen kann ausgeschlossen werden, aber man schließt einen Einfluss geringerer aber dauerhafter Strahlendosis nicht aus, insbesondere durch chronische sublethale Feldstärken, wie sie in Städten vorkommen. Deshalb wird dringend weitere Forschung mit Langzeitbestrahlung vorschlagen, um herauszufinden, welche Einflüsse die Strahlung auf die Bienengesundheit hat und um eine geeignete Risikobewertung vornehmen zu können. (IW)