Biologische Studien über niederfrequente elektromagnetische Felder (NF-EMF) können zwei unterschiedliche Perspektiven beleuchten: gesundheitliche Risiken oder klinische Anwendung. Der Netzfrequenz, mit der das öffentliche Stromnetz operiert (60 Hz Nordamerkia; 50 Hz Europa, Asien, Australien, Großteile Afrikas und Teile Südamerikas), wird auf Grund der flächendeckenden elektrischen Versorgung eine besondere Bedeutung beigemessen. NF-EMF sind sowohl mit therapeutischen Wirkungen, wie z.B. Wundheilung oder Stimulation von Knochenwachstum, als auch gesundheitlichen Risiken in Zusammen-hang gebracht. Die Autoren des hier vorgestellten Artikels untersuchten einen interessanten Ansatz einer klinischen Anwendung, nämlich der Stressminderung durch 50 Hz und 60 Hz NF-EMF. Es existieren kontroverse Studien zu diesem Thema. Es wurden von verschiedenen Arbeitsgruppen sowohl erhöhte, verringerte als auch gleichbleibende Stresslevel nach NF-EMF Exposition gefunden. Die Stresslevel der Versuchstiere werden durch die Konzentration von Glucocorticoiden (GC) im Blutserum gemessen. Erhöhte GC-Konzentrationen sind ein Marker für den generellen physiologischen Zustand Stress. Das Ziel der hier vorgestellten Arbeit war, die stressmindernde Wirkung von NF-EMF in drei verschiedenen Szenarien zu untersuchen. i) Frequenzen von 50 und 60 Hz; ii) verschiedene Helligkeit der Umgebung; iii) teilweise oder komplette Abschirmung der Versuchstiere von NF-EMF.
Als Versuchstiere wurden 8 Wochen alte männliche BALB/c Mäuse genutzt. Das benutzte Expositionssystem besteht aus drei Hauptkomponenten: einem Hochspannungs-transformator, einer Gleichspannungseinheit und einem parallelen Plattenelektroden-system. Die EMF operierten sowohl bei 50 als auch 60 Hz bei 10 kV/m. Das EMF wurde lediglich von der oberen Elektrode gebildet, die untere war geerdet. Der Stress wurde den Versuchstieren durch Immobilisierung in einem 50 ml Zentrifugenröhrchen zugefügt. Die Immobilisierung wurde grundsätzlich in den zweiten, 30 Minuten des 60-minütigen EMF-Tests durchgeführt. Für den ersten Versuch (Auswirkung von NF-EMF auf Immobilisierungsstress) wurden die Versuchstiere in 6 Gruppen mit jeweils 6 Mäusen aufgeteilt: eine Kontrollgruppe [Stress (-)/EMF(-)], zwei Gruppen welche lediglich EMF jedoch keine Immobilisierung ausgesetzt waren [Stress(-) / EMF(50 Hz/60 Hz)], eine Immobilisierungsgruppe [Stress(+) / EMF(-)] sowie zwei Gruppen, die sowohl Stress als auch EMF ausgesetzt waren [Stress(+) / EMF(50 Hz/60 Hz)]. Die Stresslevel der Versuchstiere wurden durch die GC-Konzentration im Blutplasma bestimmt.
Es gab keine signifikanten Unterschiede der PlasmaGC-Konzentration zwischen den Gruppen, welche lediglich EMF ausgesetzt waren, und der Kontrollgruppe. Die GC-Konzentration der Mäuse, die lediglich immobilisiert waren, zeigten signifikant höhere Werte als die der Kontrollgruppe. Die Gruppen, welche sowohl Stress als auch EMF ausgesetzt waren, hatten GC-Werte zwischen denen der Kontrollgruppe und der Stressgruppe. Dies weist darauf hin, dass sowohl 50 Hz als auch 60 Hz NF-EMF bei 10 kV/m die Stresslevel der Versuchstiere senken kann. Bei dem zweiten Versuchsaufbau wurde die Auswirkung der Umgebungshelligkeit auf die durch NF-EMF hervorgerufene Stressminderung untersucht. Dieselbe Untersuchung fand dieses Mal bei definierten 0 lux, 200 lux und 490 lux statt. Bei 200 lux konnte einer Verminderung des Stresses durch NF-EMF bei den Gruppen mit EMF und Immobilisierung im Vergleich zur Gruppe mit lediglich Immobilisierung festgestellt werden. Es existierte jedoch kein Zusammenhang zwischen GC-Konzentration und Helligkeit bei den Kontrollgruppen oder „nur Stress“-Gruppen. Bei dem dritten Versuchssetup wurden die Zentrifugenröhrchen, in denen die Mäuse immobilisiert waren, zu verschiedenen Anteilen mit Polytetrafluoroethylen abgeschirmt. Es wurden 5 mm, 20 mm, 80 mm und 200 mm abgeschirmt. 5 mm repräsentieren einen Bruchteil des Mauskorpus, 20 mm ca. ¼ des Mauskorpus, 80 mm den gesamten Mauskorpus und 200 mm die gesamte Maus inkl. Schwanz. Die teilweise von NF-EMF abgeschirmten Versuchstiere (5 mm und 20 mm) zeigten bei Co-Behandlung (Immobilisierung und EMF) geringere GC-Konzentrationen als die „nur Stress“-Gruppe. Bei 80 bzw. 200 mm Abschirmung waren die GC-Konzentrationen vergleichbar mit denen der „nur Stress“-Gruppe.
Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zeigen die biologische Wirkung von NF-EMF auf das hormonelle System von Mäusen mit akutem Stress. Die Abschwächende Wirkung von NF-EMF auf Stress, stelle, laut den Autoren, einen aussichtsreichen Kandidaten zur Behandlung von stressbedingten Krankheiten dar. Es seien jedoch mehr Versuche insbesondere zur Überprüfung von Langzeitwirkungen von NF-EMF auf ein biologisches System notwendig. (RH)