Autor(en):
Choi J*, Min K, Jeon S, Kim N, Pack JK, Song K.
* Department of Biochemistry, College of Life Science & Biotechnology, Yonsei University, Seoul, 03722.
Südkorea
Veröffentlicht in:
Sci Rep 2020; Jun 8;10(1):9238
Veröffentlicht: 08.06.2020
auf EMF:data seit 26.05.2021
Weitere Veröffentlichungen:
Schlagwörter zu dieser Studie:
Zellproliferation/-wachstum  |  (Oxidative) Stress-Reaktion
Medizinische/biologische Studien
zur EMF:data Auswertung

Kontinuierliche Belastung mit elektromagnetischen 1,7 GHz LTE-Feldern erhöht intrazelluläre reaktive Sauerstoffspezies, was zu verringerter Zellteilung menschlicher Zellen führt und Seneszens induziert.

Continuous Exposure to 1.7 GHz LTE Electromagnetic Fields Increases Intracellular Reactive Oxygen Species to Decrease Human Cell Proliferation and Induce Senescence.

Original Abstract

Due to the rapid development of mobile phone technology, we are continuously exposed to 1.7 GHz LTE radio frequency electromagnetic fields (RF-EMFs), but their biological effects have not been clarified. Here, we investigated the non-thermal cellular effects of these RF-EMFs on human cells, including human adipose tissue-derived stem cells (ASCs), Huh7 and Hep3B liver cancer stem cells (CSCs), HeLa and SH-SY5Y cancer cells, and normal fibroblast IMR-90 cells. When continuously exposed to 1.7 GHz LTE RF-EMF for 72 h at 1 and 2 SAR, cell proliferation was consistently decreased in all the human cells. The anti-proliferative effect was higher at 2 SAR than 1 SAR and was less severe in ASCs. The exposure to RF-EMF for 72 h at 1 and 2 SAR did not induce DNA double strand breaks or apoptotic cell death, but did trigger a slight delay in the G1 to S cell cycle transition. Cell senescence was also clearly observed in ASC and Huh7 cells exposed to RF-EMF at 2 SAR for 72 h. Intracellular ROS increased in these cells and the treatment with an ROS scavenger recapitulated the anti-proliferative effect of RF-EMF. These observations strongly suggest that 1.7 GHz LTE RF-EMF decrease proliferation and increase senescence by increasing intracellular ROS in human cells.

Exposition:

1700 MHz
LTE/4G
SAR = 1; 2 W/kg

EMF:data Auswertung

Einleitung

Die Entwicklung drahtloser Kommunikationstechnologie hat dazu beigetragen, unser Leben effizienter und bequemer zu gestalten. Im Gegenzug sind wir ständig hochfrequenten elektromagnetischen Felder (HF-EMF) ausgesetzt und die Belastung der Umwelt durch Hochfrequenz hat stetig zugenommen. Die Auswirkungen der Hochfrequenzstrahlung auf den Menschen werden in der Wissenschaft zunehmend diskutiert. So werden beispielsweise zwei groß angelegte Tierstudien des US-NTP sowie des Ramazzini-Instituts, welche krebsfördernde Wirkungen von Mobilfunkstrahlung belegten, von der ICNIRP auf Grund von technischen Limitierungen angezweifelt. Die physiologische Wirkung von Hochfrequenz auf Gewebe oder Zellen beinhaltet sowohl thermische als auch nichtthermische Effekte. Studien zu 900 MHz-Hochfrequenz lassen vermuten, dass Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS), Störung der Kalzium Homöostase sowie Veränderung der Genexpression die Hauptmechanismen darstellen könnten, die zu nicht-thermischen Auswirkungen von HF-EMF führen. In der hier vorgestellten Studie werden die nicht-thermischen Wirkungen von 1,7 GHz LTE-Strahlung auf das Wachstum verschiedener menschlicher Zellen in vitro untersucht. Zu diesen Zellen gehören Mesenchymale Stammzellen aus Fettgewebe (ASC), Leberkrebs-Stammzellen (CSC), den Leberkrebs- Zelllinen Huh7 und Hep3B, der Neuroblastom-Zelllinie SH-SY5Y, der Gebärmutterkrebs- Zelllinie HeLa sowie den normalen Fibroblasten IMR-90.

Quelle: ElektrosmogReport Juni 2021 | 27. Jahrgang, Nr. 2

Studiendesign und Durchführung

Als Expositionssystem diente eine konische Hornantenne, die Frequenz betrug 1,76 GHz. Das System wurde speziell dafür entwickelt, die Kulturbedingungen der Zellen zu kontrollieren, einschließlich Belüftung, Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Das Bestrahlungssystem operierte bei 6,65 W (SAR = 1 W/kg) bzw. 13,30 W (SAR = 2 W/kg). Thermische Auswirkungen wurden durch ein ausgeklügeltes Kühlsystem ausgeschlossen. Die Zellen wurden für 72 h bestrahlt bzw. scheinbestrahlt und anschließend analysiert. Zellteilung, DNA-Schäden sowie Apoptose, Zellseneszens, Zellzyklus und Bildung reaktiver Sauerstoffspezies wurden in vitro untersucht. Bei Zellseneszens handelt es sich um ein Phänomen, bei dem Zellen aufhören sich mitotisch zu teilen, ihr Zellzyklus wird gewissermaßen eingefroren. (Anm. der Redaktion)

Ergebnisse

Die Autoren untersuchten die Auswirkungen der Bestrahlung auf die Zellteilung. Dabei wurden zunächst die ASC und Huh7 Zellen analysiert. Im Vergleich zu den scheinbestrahlten Kontrollen verminderte sich bei den ASC-Zellen die Zellteilung um 12% respektive 54% nach Bestrahlung mit 1 W/kg bzw. 2 W/kg. In den Huh7-Zellen waren die Auswirkungen stärker: die Verminderung der Zellteilung lag hier bei 21% respektive 73%. Um die teilungseinschränkende Wirkung der Hochfrequenz zu bestätigen, wurde das Experiment mit den Hep3B, HeLa, SH-SY5Y sowie IMR90 Zellen wiederholt. Vergleichbar mit den Huh7 lag hier die Abnahme der Zellteilung zwischen 30 ~ 35% bei SAR 1 und 49 ~ 88% bei SAR 2. Diese Ergebnisse demonstrieren, dass eine kontinuierliche Belastung mit 1,7 GHz LTE-Hochfrequenz über 72 h die Zellteilung sowohl von Krebs als auch von normalen Zellen, unabhängig ihres Ursprungsgewebes, konsequent verminderte. Außerdem waren die ASCZellen weniger empfindlich gegenüber der Hochfrequenz als die anderen Zelltypen. Anschließend versuchten die Wissenschaftler herauszufinden, wie die Hochfrequenzstrahlung die Zellteilung vermindern konnte. Bei den nachfolgenden Untersuchungen wurden lediglich die ASC und Huh7 Zellen berücksichtigt. Um dem Mechanismus auf den Grund zu gehen, wurden DNA-Schäden und Apoptose untersucht. Beides konnte nicht durch die Hochfrequenzstrahlung hervorgerufen werden. Als nächstes widmeten sich die Autoren der Zellseneszens, welche das voranschreiten des Zellzyklus verlangsamt oder verhindert und so Zellwachstum verringern kann. Es wurden eine Reihe von Markern untersucht, welche zeigten, dass beide Zellarten von Seneszens betroffen waren. In beiden Fällen war der Effekt bei SAR 2 stärker als SAR 1. Die Huh7 Zellen waren wesentlich sensitiver gegenüber der Strahlung als die ASC-Zellen. Dies stimmt mit den Beobachtungen bei der Zellteilung überein. Die Analyse der zellulären Seneszensmarker weist deutlich darauf hin, dass die verminderte Zellteilung als Folge von Hochfrequenzstrahlung, auf die Induktion von Zellseneszens zurückzuführen
ist. Des Weiteren konnten die Autoren demonstrieren, dass die Zellzyklusverzögerung bei der G1/S-Transition stattfand. Abschließend widmeten sich die Wissenschaftler der Frage, wie die Zellseneszens verursacht wurde. Sie konnten zeigen, dass insbesondere bei SAR 2 vermehrt reaktive Sauerstoffspezies gebildet wurden. Das Signal des untersuchten Markers war bei Huh7 stärker als bei ASC, was wiederum in Übereinstimmung ist mit der Ausprägung der verringerten Zellteilung. Um sicher zu gehen, dass es sich bei dem beobachteten Phänomen der ROS-Bildung nicht lediglich um eine Korrelation, sondern um einen mechanistischen Zusammenhang handelt, wurden die Zellen vor der Exposition mit Antioxidantien behandelt. Dies führte zu einer signifikanten Verminderung der ROS sowie zu der Wiederherstellung der Zellteilung. Dies weist deutlich darauf hin, dass intrazelluläre reaktive Sauerstoffspezies, welche durch Hochfrequenzbelastung entstehen, eine Schlüsselrolle bei der Verringerung der Zellteilung verschiedener menschlicher Zellen spielen.

Schlussfolgerungen

Die Autoren zeigten, dass die kontinuierliche Belastung mit 1,7 GHz LTE-Hochfrequenz über 72h bei einem SAR1 = 1 W/kg und einem SAR2 = 2 W/kg zu einer Verminderung der Zellteilung in allen untersuchten Zelltypen führte. Dabei war der Zellursprung (Gewebetyp, normale Zelle, Krebszelle) nicht von Bedeutung. Der SAR-Wert stand hierbei in direktem Zusammenhang zu der Ausprägung der verminderten Zellteilung. Des Weiteren konnte demonstriert werden, dass die verminderte Zellteilung durch eine ROS-induzierte Zellseneszens verursacht wurde, nicht etwa durch DNA-Schäden oder Apoptose. Laut den Autoren sei es bemerkenswert, dass die signifikante ROS-Bildung in den Mitochondrien der Zellen nachgewiesen werden konnte, was darauf hindeutet, dass Hochfrequenzbelastung die Effizienz des Elektronentransportsystems der Mitochondrien negativ beeinflussen kann. Es seien weitere Studien notwendig um zu verstehen, wie HF-EMF das Elektronentransportsystem sowie die ROS-Bildungsrate verändert. Es sei jedoch nicht sinnvoll, die physiologischen Auswirkungen von Hochfrequenz direkt aus dieser zellbasierten Studie abzuleiten. Die teilungshemmende Wirkung von 1,7 GHz LTE-Strahlung weise jedoch darauf hin, dass die Belastung für Kinder schädlicher sein könnte, da sich deren adulte Stammzellen sehr aktiv teilen. Außerdem könnte die Alterung von Körperzellen beschleunigt werden. Sie bemerken außerdem, dass Vorsicht mit Rückschlüssen auf die teilungsmindernde Wirkung von Hochfrequenz auf Krebszellen geboten wäre, da sowohl positive als auch negative Auswirkungen von HF-EMF auf Krebsentwicklung berichtet wurden. (RH)