Autor(en):
Delen K*, Sırav B, Oruç S, Seymen CM, Kuzay D, Yeğin K, Take Kaplanoğlu G.
* Department of Biophysics, Faculty of Medicine, Gazi University, 06560 Ankara
Türkei
Veröffentlicht in:
Bioelectromagnetics 42 (2), 159–172
Veröffentlicht: 13.01.2021
auf EMF:data seit 26.05.2021
Weitere Veröffentlichungen: Studie gefördert durch:

Gazi University Scientific Research Projects Coordination Unit; grant number: 01/2018-05.

Medizinische/biologische Studien
zur EMF:data Auswertung

Die Wirkung von 2600-MHz-Strahlung auf Hirngewebe von männlichen Wistar-Ratten und die das Nervengewebe schützende Wirkung von Melatonin.

Effects of 2600 MHz Radiofrequency Radiation in Brain Tissue of Male Wistar Rats and Neuroprotective Effects of Melatonin.

Original Abstract

Exposition:

2600 MHz
LTE/4G
Ganzkörper-SAR = 0,616 W/kg
SAR für das Gehirn = 0,44 W/kg für 1 g Gewebe; 0,295 W/kg für 10 g Gewebe.

EMF:data Auswertung

Einleitung

Auf der Grundlage der Studien, die ein steigendes Risiko für Gliome durch Mobiltelefone gefunden haben, hat die International Agency for Research on Cancer (IARC) die Hochfrequenzstrahlung als möglicherweise Krebs erregend eingestuft. Das Gehirn ist der Strahlung direkt ausgesetzt,da es eine geringe antioxidative Enzymaktivität und hohen Sauerstoffverbrauch hat, ist Hirngewebe besonders empfindlich gegenüber oxidativer Schädigung. Viele Studien zeigten die verschiedensten Auswirkungen der Strahlung, andere fanden keine Schädigungen. Ein wesentlicher und oft nachgewiesener Faktor ist oxidativer Stress, der durch ein Ungleichgewicht von freien Sauerstoffradikalen und Antioxidanzien in Geweben und Zellen entsteht, dem durch Melatonin entgegengewirkt werden kann. Oxidativer Stress kann zu degenerativen Erkrankungen führen wie Alzheimer- und Parkinsonkrankheit und Amyotropher Lateralsklerose (ALS). Von oxidativem Stress nimmt man an, dass frühzeitige Alterung und früheres Eintreten von altersbedingten Erkrankungen, z. B. Herz-Kreislauf-Beschwerden und Krebs, entstehen. Antioxidative Substanzen, beispielsweise Pflanzenextrakte, Vitamine und Melatonin, können dem entgegenwirken.

Die Mechanismen der biologischen Wirkungen von Mobilfunkstrahlung sind noch nicht ganz klar, aber klar ist, dass unterhalb der ICNIRP-Grenzwerte nicht-thermische Wirkungen auftreten. Diese Studie hatte zum Ziel, die degenerative Wirkung von 2600-MHz-Strahlung (Histologie, oxidative Schädigung und Apoptose) und die Wirkung von Melatonin auf Hirnrinde, Hippocampus und Astrozyten des Hirngewebes von männlichen Ratten zu untersuchen.

Quelle: ElektrosmogReport Juni 2021 | 27. Jahrgang, Nr. 2

Studiendesign und Durchführung

36 männliche Ratten wurden auf 6 Gruppen verteilt: 1. Käfigkontrolle, 2. scheinbestrahlte Kontrolle, 3. Bestrahlte Gruppe mit 2600 MHz (30 min, 5 Tage pro Woche 30 Tage lang). Das Gleiche für die Melatonin Gruppe: 4. Käfigkontrolle, 5. scheinbestrahlte Kontrolle und 6. Bestrahlung mit Melatonin (jeweils tägliche subkutane Gabe von 10 mg/kg Melatonin, 30 Tage lang). Die Bestrahlung wurde mit einem Generator durchgeführt. Das elektrische Feld in den Käfigen betrug 21,74 V/m, Hintergrund 0,88 V/m, Ganzkörper-SAR 0,616 W/kg, SAR für das Gehirn 0,44 für 1 g Gewebe bzw. 0,295 W/kg für 10 g Gewebe. Das Hirngewebe der Ratten wurde mikroskopisch auf strukturelle Veränderungen immunohistochemisch und histochemisch, auf oxidative Parameter (MDA, NOx, MPO, GSH, SOD und GSH‐Px) und Apoptose untersucht.

Ergebnisse

Die Strahlung erzeugte statistisch signifikante Abnahme von GSH, GSH‐Px und SOD Konzentrationen im Hirngewebe, einen signifikanten Anstieg von MPO, MDA und NOx-Konzentrationen. Nicht signifikante Unterschiede gab es zwischen 1. der Käfig-Kontrolle und der scheinbestrahlten Gruppe, 2. Melatonin und Scheinbestrahlung, 3. Käfigkontrolle und Melatonin und 4. Scheinbestrahlung und Scheinbestrahlung mit Melatonin. Melatonin verminderte die oxidative Wirkung der Strahlung. Die histologischen Untersuchungen der Gehirne ergaben einen Anstieg von Zelldeformationen und Apoptose im Hirngewebe bei den bestrahlten Gehirnen. Alle Kontrollgruppen und die Melatoningruppen zeigten normale Strukturen (Neuronen, Neuroglia und Blutgefäße). Bei den bestrahlten Gehirnen ohne Melatonin sah man in der Hirnrinde erweiterte Gefäße, Pyramidenneuronen mit abnormer Morphologie und apoptotische Neuronen. Im Hippocampus waren dieselben Veränderungen, zusätzlich waren die Neuronen anders verteilt, es gab weniger Neuronen und eine Zunahme von Astrozyten, erweiterte Blutgefäße und Ödeme um die Gliazellen. Die Melatoningabe bewirkte normale Strukturen, aber geweitete Gefäße waren vorhanden und in der Hirnrinde gab es abnorme Pyramidenzellen. Im Hippocampus zeigten sich geringe Veränderungen, insgesamt aber ähnliche Verhältnisse wie bei den Käfigkontrollen. Die immunohistochemische Untersuchung (GFAP-Färbung) bestätigte die schädigende Wirkung der Strahlung in Nerven- und Gliazellen. In der Apoptose-Untersuchung konnte in den Kontroll- und Melatoningruppen eine geringe Zahl von geschädigten Nerven- und Gliazellen in Hirnrinde und Hippocampus nachgewiesen werden, in der bestrahlten Gruppe gab es signifikant höhere Zahlen apoptotischer Zellen, die meisten im Hippocampus. Melatonin verringerte die Zahl der Apoptose-Zellen signifikant in der bestrahlten Gruppe.

Schlussfolgerungen

2600 MHz ist Bestandteil der LTE-Mobilkommunikation. In dieser Studie führten 30 Minuten tägliche Bestrahlung über 30 Tage zu Abnahme der antioxidativen Parameter, Zunahme der oxidativen Parameter, Anstieg der Apoptose und Strukturveränderungen in Hirnrinde und besonders im Hippocampus von männlichen Ratten. Von außen zugeführtes Melatonin reduzierte die Schädigungen signifikant. Apoptose in Nervenzellen kann zu neurodegenerativen Erkrankungen führen, Apoptose in Gliazellen birgt das Risiko von Hirntumoren. Die Ergebnisse dieser Studie weisen darauf hin, dass beide Risiken bestehen, obwohl die Strahlung nur 30 Minuten an 5 Tagen/Woche 30 Tage lang einwirkte. Diese Studie erbrachte Anzeichen, dass Hochfrequenzstrahlung für oxidativen Stress im Hirngewebe verantwortlich ist, da die oxidativen Parameter erhöht und die antioxidativen verringert waren. Bestätigt wird das durch von außen zugeführte Melatoninbehandlung, die die oxidative Wirkung der Strahlung signifikant verringerte. Die Strahlung verursachte Apoptose und Degeneration der Zellstruktur im Hirngewebe, Melatoningabe führte aktiv zur Minderung der Degeneration. Die GFAP-Immunoreaktionen und die Anzahl der Apoptosezellen sahen mit Melatoningabe normal aus. Als Vorsorgemaßnahme wird die Reduktion der Mobilfunkstrahlung empfohlen und tägliche Einnahme von Melatonin kann eine schützende Wirkung haben. (IW)