Mobiltelefone sind inzwischen die häufigste Form der öffentlichen Kommunikation. Deshalb ist das Leben auf unserem Planeten in eine "Wolke" aus nicht-ionisierender Strahlung gehüllt. Die auf der Erde vorhandene hochfrequente elektromagnetische Strahlung (HF-EMS) im Bereich der Radio- und Mikrowellen ist seit dem 19. Jahrhundert deutlich angestiegen. Obschon Pflanzen naturgemäß angepasst sind, Sonnenlicht mit wesentlich mehr Strahlungsintensität als die technologischen elektromagnetischen Quellen zu nutzen, gibt es genügend Hinweise, dass HF-EMS bei Pflanzen biologische Wirkungen hat, mitunter schädliche. Pflanzen sind bewegungslos, was die Durchführung von Experimenten vereinfacht, da die Strahlenexposition sich einfacher gestaltet. Es ist auch recht einfach, schädliche Einflüsse bei Pflanzen zu dokumentieren, wie z.B. gestörte Zellstrukturen, Wachstum oder verminderter Ertrag. Im hier beschriebenen Experiment wurde ein Myrte-Strauch im Felde mit einem GSM-Handy im Sprechmodus bestrahlt.
Myrtus communis ist ein immergrüner Strauch, der in mediterranen Gegenden verbreitet ist. Es wurden wildwachsende Myrte-Sträucher am Berg Hymettus, in der Nähe von Athen ausgesucht. 20 Tage nach dem Sprießen neuer Blätter wurde ein GSM-Handy, was auf einem Dreifuß montiert war, 3 Tage in der Woche für 30 Minuten im Sprechmodus in direkter Nähe der neuen Blätter betrieben. Das Experiment lief während 49 Tagen, und wurde im folgenden Jahr für weitere 50 Tage wiederholt. Die Strahlungsintensität betrug durchschnittlich 27 V/m [1,9 W/m²]. Zu Beginn der Experimente, in der Mitte (11 Expositionen) und am Ende der Experimente (22 Expositionen, nach 49 Tagen), wurden jeweils 5 Blätter entnommen, von bestrahlten Pflanzen und Kontrollen. Im Labor wurden die Proteinkonzentration, die Aktivität der L-Dopa-Decarboxylase (DDC, per Immunblot), die Menge der Chlorophyll-Pigmente sowie die Gesamtmenge der reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) bestimmt. Blattschnitte wurden mit 13 verschiedenen Reagenzien gefärbt, und zwar spezifische Farbstoffe für ungesättigte Fette, Terpene, Flavonoide, Sesquiterpene, Alkaloide, Tannine, Polyphenole usw. Die Blattschnitte wurden unter dem Lichtmikroskop betrachtet sowie mit zwei Arten von Elektronenmikroskopen.
Obwohl die Blätter der exponierten Pflanzen eine unbeeinflusste Gewebeanordnung aufweisen (im Vergleich zur Kontrolle), häufen ihre Mesophyllzellen größere Mengen an Sekundärmetaboliten an. Exponierte Blätter erscheinen kompakter bei Betrachtung im Lichtmikroskop, und akkumulieren auf Zellebene große Mengen ungesättigter Fette, oder „fettiger“ Sekundärmetaboliten. Diese Unterschiede konnten auch mit dem Transmissions- und Rasterelektronenmikroskop bestätigt werden. Die photosynthetischen Pigmente sind leicht reduziert 1 Stunde nach der Bestrahlung, und drastisch reduziert 24 Stunden danach. Das gleiche gilt für die Menge an ROS, die um 50–100 % erhöht ist in den bestrahlten Blättern, wiederum nach 24 Stunden. Was die Aktivität der L-Dopa-Decarboxylase betrifft, ist das Bild ähnlich. Das Vorhandensein von DDC, das in den Blättern der Kontrollpflanzen nicht nachgewiesen werden kann, wird in hohen Konzentrationen in den exponierten Blättern festgestellt. Diese scheinen einen schweren oxidativen Stress zu erfahren, der wahrscheinlich die DDC-Expression und die Biosynthese des Neurotransmitters Dopamin, bei Pflanzen ein wichtiges Antioxidans, sowie die Aktivierung des Shikimat-Stoffwechsels und schließlich die Akkumulation von Sekundärmetaboliten induziert.
Zitat der Autorin: „Dopamin ist ein Sekundärmetabolit, der, wie die meisten Katecholamine, den Kohlenhydratstoffwechsel regulieren kann, als Vorläufer einiger Alkaloide dient, die Pflanzen vor bestimmten Krankheitserregern schützt und an der Stickstoffentgiftung beteiligt ist. Es kann den Pflanzen auch helfen, sich gegen schädliche klimatische Bedingungen, Umweltschadstoffe, hohe Sonneneinstrahlung und Wasserdefizit zu schützen. In Anbetracht der obigen Ausführungen können wir davon ausgehen, dass die exponierten Blätter DDC und folglich Dopamin produzieren, weil sie durch die Strahleneinwirkung unvermeidlichen, schweren Umweltstress erfahren. Was in dem gesamten Experiment sehr interessant erscheint, ist die Tatsache, dass die photosynthetischen Pigmente, ROS und die DDC-Expression nicht sofort, sondern erst eine Stunde nach der Exposition beeinträchtigt zu sein scheinen, und dass die nachgewiesene Expression auch 24 Stunden nach der Bestrahlung noch die Stresssituation widerspiegelt. Es scheint jedoch, dass vor der nächsten Exposition ein Erholungsmechanismus das zelluläre Verhalten "zurücksetzt", so dass die photosynthetischen Pigmente zu ihrer normalen Konzentration zurückkehren, die ROS auf ein normales Maß zurückgehen und die DDC-Expression unterdrückt wird. Dies scheint ein wunderbarer Erholungsmechanismus zu sein, der die Pflanze in die Lage versetzt, langfristige Stressbedingungen zu überstehen, auch wenn die Vermeidung der schädlichen Auswirkungen nicht unbegrenzt sein kann.“ Diese Ergebnisse sind im Einklang mit den Befunden früherer Forschung, bezüglich der beobachteten Reaktionen (gegenüber EMF) auf zellulärer und molekularer Ebene sowie auf der Ebene der Morphologie des gesamten Organismus. Obschon die langfristigen Auswirkungen noch nicht gründlich erforscht wurden, sollte darüber nachgedacht werden, da hochfrequente EM-Strahlung nicht (weiterhin) als für Pflanzen harmlos angesehen werden kann. (AT)