Autor(en):
Gökçek-Saraç Ç*, Akçay G, Karakurt S, Ateş K, Özen Ş, Deri N.
* Faculty of Engineering, Department of Biomedical Engineering, Akdeniz University , Antalya.
Türkei
Veröffentlicht in:
Electromagn Biol Med 2021 Jan 2;40(1):179-190
Veröffentlicht: 02.01.2021
auf EMF:data seit 24.05.2022
Weitere Veröffentlichungen: Studie gefördert durch:

The Scientific Research Projects Coordination Unit in Akdeniz University, Turkey [Grant Number: FBA-2018-3846].

Schlagwörter zu dieser Studie:
Gedächtnis, Lernen, Verhalten
Medizinische/biologische Studien
zur EMF:data Auswertung

Mögliche Wirkungen verschiedener Dosierungen von 2,1 GHz auf Lernen und Konzentrationen cholinerger Biomarker im Hippocampus von Wistar-Ratten.

Possible effects of different doses of 2.1 GHz electromagnetic radiation on learning, and hippocampal levels of cholinergic biomarkers in Wistar rats.
Exposition:

2100 MHz

EMF:data Auswertung

Einleitung

Mobilfunkstrahlung dringt beim Menschen 4–6 cm in den Kopf ein, deshalb gibt es einen akuten Bedarf an Kenntnissen über die neurobiologischen Mechanismen, die der Strahlungswirkung zugrunde liegen. Cholinerge Nervenzellen haben wichtige Funktionen bei vielen Vorgängen im Hippocampus, z. B. bei Lernen, Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Bewegung, Schlaf. Bei degenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer- und der Parkinson-Krankheit kommt es zu einem Verlust cholinerger Nervenzellen. Acetylcholin als primärer Neurotransmitter des cholinergen Systems wird über die Acetyltransferase (ChAT) aus Cholin und Acetyl-CoA synthetisiert. In den Synapsen wird Acetylcholin über den vesikulären Acetylcholintransporter (VAChT) in synaptischen Vesikeln gespeichert und wird dann durch das Aktionspotenzial in den synaptischen Spalt ausgeschüttet. Durch Bindung an einen Rezeptor erfolgt eine biologische Antwort. Die Acetylcholinesterase (AChE) in der postsynaptischen Membran katalysiert die hydrolytische Spaltung des Acetylcholin-Moleküls in Essigsäure und Cholin. Die Biomarker des cholinergen Stoffwechselwegs sind an Verhaltensreaktionen beteiligt. Bei Demenz sind diese Reaktionen deutlich vermindert, was die Lern- und Gedächtnisfähigkeiten reduziert. Bei Ratten und Mäusen führt VAChT-Mangel auch zu schlechter Objekt- und sozialer Erkennung. Da wenig über den Einfluss von hochfrequenten Feldern auf cholinerge Funktionen im Zusammenhang mit dem Hippocampus bekannt ist, sollten mit der kurzzeitigen Befeldung die cholinergen Biomarker und deren mRNA-Konzentrationen im Hippocampus untersucht werden.

Quelle: ElektrosmogReport Mai 2022 | 28. Jahrgang, Nr. 2

Studiendesign und Durchführung

Zum Einsatz kamen 3 Gruppen mit je 11 männlichen Ratten, die in scheinbestrahlter Kontrolle und je einer Gruppe bestanden, die mit einem elektrischen Feld von 45 V/m bzw. 65 V/m für eine Woche mit 2,1 MHz (Modulation 217 Hz) mit einem Signal-generator für 2 Stunden/Tag befeldet wurden. Die Tiere befanden sich in einem abgeschirmten Raum in einem Karussell mit Röhren, in denen sie mit dem Kopf im Abstand von 4 und 8 cm von der Monopol-Antenne fixiert waren. Die SAR-Werte betrugen bei 45 V/m 0,41 W/kg im Gehirn und 0,47 W/kg im ganzen Körper und bei 65 V/m 1,3 W/kg im Gehirn und 2,17 W/kg im ganzen Körper. Nach der Behandlung durchliefen die Tiere die beiden Verhaltenstests – Objekttest und Y-Labyrinth-Test – zur Bestimmung des Kurzzeitgedächtnisses und des räumlichen Lernens und Gedächtnisses. Die biochemischen Tests bestanden in der Bestimmung der Expressionen von Acetylcholinesterase (AChE), Cholin-Acetyltransferase (ChAT), vesikulärem Acetyl-Cholin-Transporter (VAChT) und den dazugehörigen mRNA-Expressionen im Hippocampus-Gewebe.

Ergebnisse

Im Objekt-Test erkundeten und berührten die mit 65 V/m befeldeten Tiere die neuen Objekte signifikant weniger im Vergleich zu den unbestrahlten Kontrolltieren, die Aktivität der mit 45 V/m behandelten war nicht-signifikant geringer. Im Y-Labyrinth waren Entdeckungszeit und Häufigkeit der Eintritte in den neuen unbekannten Arm bei 45 V/m leicht erhöht, nach 65 V/m hochsignifikant bzw. signifikant verringert gegenüber der Kontrollgruppe. Die relativen Werte (mit β-Aktin-Kontrolle) für ChAT, AChE und VAChT waren alle signifikant verrringert, bei 65 V/m stärker als bei 45 V/m. Die quantitative mRNA-Expression (GAPDH-kontrolliert) ergab ein ähnliches Bild: die meisten der 3 Parameter (relative mRNA-Expression von AChE, ChAT und VAChT) zeigten eine hochsignifikante Verminderung gegenüber den Kontrollen.

Schlussfolgerungen

Da Mobiltelefone weit verbreitet sind, ist die Wirkung der Strahlung auf Gehirnfunktionen für Wissenschaftler von Interesse. Die Funktionen des Hippocampus sind gut bekannt und die Wirkung von Mobilfunkstrahlung ergab Beeinträchtigungen in Aktivität, Morphologie, Chemie und im Verhalten im Tierversuch. Beeinträchtigungen von Lernen und Gedächtnis sind vielfach belegt. Das cholinerge System spielt eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von Lernen und Gedächtnis im Hippocampus, was in Verhaltenstests zum Ausdruck kommt. Erstmals werden hier die möglichen Dosis-abhängigen Wirkungen kurzzeitiger Einwirkung von 2,1-GHz-Strahlung auf das Verhalten von Ratten und auf die Biomarker im Hippocampus AChE, ChAT und VAChT sowie deren mRNA-Konzentrationen in männlichen Ratten gezeigt. Zur Aufklärung der Mechanismen, wie Mobilfunkstrahlung die Funktionen des cholinergen Systems von Säugetieren beeinflusst, ist weitere Forschung nötig. (IW)