Research Fund of Mersin University in Turkey under Grant [Number: 2017–1-TP2-2130].
Die heutzutage weltweit am weitesten verbreitete Mobilfunktechnologie wird als „LTE-Advanced Pro“ (4,5 G) bezeichnet. Mobiltelefone, welche mit LTE-Advanced Pro operieren, nutzen hochfrequente elektromagnetische Felder mit einem Frequenzband von 800–2600 MHz für ihre Dienste. Mögliche gesundheitsschädliche Auswirkungen von Hochfrequenz beinhalten u.a. Schäden am zentralen sowie peripheren Nervensystem, Fortpflanzungssystem und Herzkreislaufsystem. Die Augen bzw. der Sehnerv werden durch erhöhte „screen-time“ immer stärker durch Mobilfunkstrahlung belastet. Es existieren jedoch bis jetzt keine Studien über die Auswirkungen von Hochfrequenz auf den Sehnerv. Die hier vorgestellte Studie untersucht, welchen Effekt Mobilfunkstrahlung (LTE Advanded Pro) auf den Sehnerv besitzt.
Die Studie wurde an insgesamt 32 männlichen Wistar Albinoratten durchgeführt, welche zufällig in zwei Gruppen (bestrahlt und scheinbestrahlt) eingeteilt wurden. Als Strahlungsquelle diente ein LTE-Advanced Pro kompatibles Mobiltelefon mit einem Ganzkörper-SAR-Wert von 0,54 W/kg. Dieses wurde auf einem Plexiglaszylinder positioniert, in welchem sich die Ratten während der Bestrahlung befanden, sodass der Abstand zwischen den Augen der Versuchstiere und dem Display zwischen 23 und 37 cm betrug. Dies entspricht in etwa dem Abstand zwischen menschlichem Auge und Telefondisplay. Die Befeldung erfolgte 2 Stunden täglich über einen Zeitraum von 6 Wochen. Um eine kontinuierliche 4,5-G-Verbindung des Telefons sicherzustellen, wurde während der zweistündigen Bestrahlungsperiode ein Skype-Sprachanruf initiiert. Display sowie Lautsprecher des Telefons blieben ausgeschaltet. Bei aktivem Mobiltelefon betrug der mittlere Wert des elektrischen Feldes in der Testkammer 4,67 ± 0,82 V/m. Die errechnete maximale Ganzkörper-SAR betrug 0,01 W/kg. Die Auswirkungen der Bestrahlung wurden mittels visuell evozierten Potenzialen (VEP), biochemischen (Oxidationsmarker) sowie mikroskopischen Analysen überprüft. Bei den visuell evozierten Potenzialen wird die Reizweiterleitung als Folge eines visuellen Stimulus überprüft. Das Verfahren wird in der Neurologie sowie Augenheilkunde eingesetzt. Hierbei wurden die Amplituden sowie die Latenzzeit der Potenziale P2, N2 und P3 mittels EEG gemessen.
Es gab keine Unterschiede in der Temperatur der Körperoberfläche zwischen bestrahlten und scheinbestrahlten Tieren. Die VEP-Analyse zeigte signifikante Unterschiede in der Reizweiter-leitung nach Bestrahlung. Die Amplituden von N2, P3, P2-N2 sowie N2-P3 waren um respektive 67%, 79%, 53% und 73,5% vermindert. Die P2-Amplitude wies keine Veränderung auf. Auch die Latenzzeiten waren weitestgehend unverändert, lediglich die P3-Latenzzeit war nach Befeldung verringert. Die Konzentration bzw. Aktivität der Oxidationsmarker MDA, SOD und CAT stiegen respektive um 118%, 108% und 116% als Konsequenz der Bestrahlung. Eine Pearson-Korrelationsanalyse zeigte eine starke Korrelation zwischen Veränderungen der VEP-Wellen-amplituden und den oxidativen Stressmarkern. Die licht- und elektronenmikroskopischen Befunde zeigten keine strukturellen Veränderungen des Sehnervs, der myelinisierten Nervenfasern oder Gliazellen. In einer morphometrischen Analyse wurden jedoch ein verminderter Axondurchmesser (10,2%), eine verringerte Myelin-Dicke (25,7%) sowie ein erhöhter G-Quotient (37%) beobachtet.
Die vorliegende Studie weist darauf hin, dass 4,5-G-Mobilfunkstrahlung für 2 Stunden am Tag über einen Zeitraum von 6 Wochen oxidative Schädigungen des Sehnervs verursachen kann. Diese führen wiederum zu morphometrischen und funktionellen Veränderungen sowie einer Degeneration des Sehnervs. Laut den Autoren unterstützt die Korrelation der VEP-Wellen-amplituden mit den oxidativen Stressmarkern diese These. Der Sehnerv übermittelt alle visuellen Informationen an den visuellen Kortex und eine Schädigung dieses Nervs kann zu schwerem, dauerhaftem Sehverlust führen. Weitere Studien seien allerdings nötig, um das Risikopotenzial von Hochfrequenz im Bereich Augentoxizität (bzw. Nervenschädigung, Anm. d. Redaktion) zu überprüfen. (RH)