Autor(en):
Peleg M*, Berry EM, Deitch M, Nativ O, Richter E.
* Technion, Israel Institute of Technology.
Israel
Veröffentlicht in:
Environ Res 2023; 216 Pt 2: 114610
Veröffentlicht: 21.10.2022
auf EMF:data seit 08.12.2022
Weitere Veröffentlichungen:
Schlagwörter zu dieser Studie:
Krebserkrankungen (nicht spezifiziert)
Epidemiologische Studien
zur EMF:data Auswertung

Radar- und Funk-Exposition und Krebs im militärischen Umfeld.

On radar and radio exposure and cancer in the military setting.
Exposition:

HF/Mikrowellen (1 - 300 GHz)
Radar / Mobilfunk

EMF:data Auswertung

Einleitung

Im militärischen Bereich wird hochfrequente Strahlung für Kommunikation, Radar und elektronische Kriegsführung eingesetzt. Da epidemiologische Studien auf eine kanzerogene Wirkung von Hochfrequenz hinweisen, empfehlen Forscher eine Neueinstufung von Hochfrequenz als Humankarzinogen (IARC-Gruppe 1) anstatt der bisherigen Einstufung als möglicherweise krebserregend (IARC-Gruppe 2 B). Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf eine berufliche Belastung im militärischen Kontext, bei der die Hochfrequenzexposition typischerweise hoch ist, den ganzen Körper betrifft und über einen Zeitraum von mehreren Jahren auftritt. Nichtsdestotrotz bewegen sich die Strahlungswerte in den meisten Fällen innerhalb der ICNIRP-Strahlungsgrenzwerte für berufliche Belastungen. Die Studie ist eine Aktualisierung der Studie von 2018 (Peleg et al. 2018), welche sich ebenfalls mit den Auswirkungen von Hochfrequenzbelastung auf Krebs im militärischen Umfeld befasste. In beiden Arbeiten wurden Daten von Krebspatienten, welche an oder mit Radareinrichtungen arbeiteten, mit Daten des israelischen Krebsregisters verglichen. Die Daten wurden anhand prozentualer Häufigkeiten verschiedener Krebsarten, d.h. Anteilen der jeweiligen Krebsarten, analysiert.

Quelle: ElektrosmogReport Dezember 2022 | 28. Jahrgang, Nr. 4

Studiendesign und Durchführung

Die vorliegende Studie bezieht sich auf 46 Krebspatienten, welche im Zeitraum von 2002 – 2021 (Median 2017) diagnostiziert wurden. Die 25 Männer und 21 Frauen dienten alle in den israelischen Verteidigungskräften und bedienten Radar- und/oder Funksender bzw. erfüllten ihren Dienst in der Nähe der Anlagen. Das Durchschnittsalter bei der Diagnose betrug 23,7 Jahre. Die Latenzzeit zwischen Zeitpunkt der Rekrutierung und der Diagnose betrug durchschnittlich 5,4 Jahre. Die Soldaten dienten in Einheiten, die die folgenden Systeme operierten: Iron Dome (20 Patienten), Arrow (4 Patienten), Hawk (1 Patient), Patriot (4 Patienten), David Sling (1 Patient), Luftwaffe (11 Patienten), Marine (4 Patienten) und „andere“ (2 Patienten). Ein Patient diente bei zwei Luftabwehrsystemen. Genaue Hochfrequenzmessungen der Radaranlage waren auf Grund von Klassifizierung durch das Militär nicht verfügbar. Die folgenden Aussagen zu den hochfrequenten Feldern, denen die Soldaten ausgesetzt waren, stammen aus Internet-Referenzen. Iron Dome, Hawk und David Sling benutzen ein ELM-2084 Radar. Dabei handelt es sich um ein aktives Festkörper-Phasenradar, welches im S-Band zwischen 2 und 4 GHz operiert. Die Spitzensendeleistung kann 1 Millionen Watt (1 MW) betragen. Die Spitzenwerte der äquivalenten isotropen Strahlungsleistung (EIRP) liegen in der Größenordnung einer Milliarde Watt (1 GW). Eine solche Sendeleistung führt zu einer Belastung von 7900 W/m² im Hauptstrahl bei einer Entfernung von 100 m. Die Belastung außerhalb des Hauptstrahls ist geringer, doch durch die Neben- und Rückkeulen immer noch sehr hoch. Das Arrow-System benutzt ein „Green-Pine“-Radar, welches im L-Band (1-2 GHz) operiert, das Radar des Patriot-Systems operiert im C-Band (4 – 8 GHz). Zu den anderen Waffensystemen liegen keine Angaben bezüglich der Sendeleistungen oder Frequenzen vor, jedoch gaben alle Patienten an, ihren Dienst in der Nähe von Radar- oder Kommunikationsantennen verrichtet zu haben. Die Autoren analysierten die prozentuale Häufigkeit von hämatolymphoiden Krebsarten, Hodgkin Lymphomen (Unterart der hämatolymphoiden Krebsarten) und Sarkomen. Die Daten wurden mit dem israelischen Krebsregister verglichen, wobei nach Geschlecht und Alter differenziert wurde. Bei einer Untergruppe von 6 Patienten standen genug Daten (Gruppengröße, Alter) zu Verfügung, um das Risikoverhältnis für Krebserkrankungen im Allgemeinen, im Verhältnis zur erwarteten Anzahl von Krebsfällen ohne Strahlenbelastung, zu berechnen. Außerdem wurden die Ergebnisse mit 5 früheren Studien verglichen, bei denen in ähnlicher Weise Gruppen von Krebspatienten aus dem beruflichen/militärischen Umfeld untersucht wurden.

Ergebnisse

Die prozentuale Häufigkeit aller untersuchten Krebsarten stieg ungefähr um den Faktor 2, die Daten wiesen statistische Signifikanz auf. Ebenfalls statistisch signifikant ergab die Subgruppenanalyse eine 8-fach Erhöhung des Risikoverhältnisses. (Verglichen mit krebserkrankten aus der allgemeinen Bevölkerung traten bei den Soldat*innen also ca. 2-mal häufiger hämatolymphoide Krebsarten, Hodgkin Lymphome und Sarkome auf. Die Subgruppenanalyse zeigt ein 8-fach erhöhtes Risiko an Krebs zu erkranken, Anm. d. Redaktion). Dies sind die Hauptergebnisse der vorgestellten Studie. Die Latenzzeit bis zum Ausbruch von Krebs war meist kurz, 0,85 – 15 Jahre, im Mittel 4,6 Jahre. Auch die 5 älteren Studien aus dem Zeitraum von 1996-2018 zeigen eine statistisch signifikante, atypische Zunahme der prozentualen Häufigkeit von hämatolymphoiden Krebsarten. In 4 der 5 Studien werden Hinweise auf eine starke Erhöhung des Risikoverhältnisses für Krebs im Allgemeinen gefunden.

Schlussfolgerungen

Obwohl sich die Belastungswerte der Patienten innerhalb von ICNIRP-Grenzwerten für berufliche Szenarien befanden, weisen die Ergebnisse der Studie auf ein verändertes Krebsprofil sowie ein erhöhtes Risiko, an Krebs zu erkranken, hin. Übereinstimmend mit früheren Arbeiten zu Hirntumoren von Mobilfunknutzern, Tiermodellstudien und physikalischen Mechanismen, sei laut den Autoren mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass eine langzeitige, intensive Hochfrequenzbelastung ein erhöhtes Krebsrisiko bei beruflich exponierten jungen Menschen verursache. Die Wissenschaftler vermuten, dass die hohe Spitzenleistung der Radarimpulse ein beitragender Faktor sein könnte. Die Ergebnisse der Studie, so die Autoren, ergänzen die umfangreichen Belege, die eine Neueinstufung von Hochfrequenz als Humankarzinogen IARC-Gruppe 1 rechtfertigen. Die Tatsache, dass sich die Hochfrequenzbelastung der Patienten innerhalb der ICNIRP-Richtwerte befand, weist darauf hin, dass die Grenzwerte weder stringent noch protektiv sind. (RH)