Autor(en):
Klimek A*, Kletkiewicz H, Siejka A, Wyszkowska J, Maliszewska J, Klimiuk M, Jankowska M, Seckl J, Rogalska J.
* Department of Animal Physiology and Neurobiology, Faculty of Biological and Veterinary Sciences Nicolaus Copernicus University in Torun, Toruń.
Polen
Veröffentlicht in:
Neuroendocrinology 2022 [im Druck]
Veröffentlicht: 02.11.2022
auf EMF:data seit 07.02.2023
Weitere Veröffentlichungen: Studie gefördert durch:

National Science Centre, Poland (Grant No. 2017/25/B/NZ7/00638) and project No. POWR.03.05.00-00-Z302/17 “Universitas Copernicana Thoruniensis In Futuro,” co-financed by the European Social Fund – the Operational Programme Knowledge Education Development.

Schlagwörter zu dieser Studie:
Stresshormone
Medizinische/biologische Studien
zur EMF:data Auswertung

Neue Sichtweise auf den Einfluss des niederfrequenten elektromagnetischen Feldes (50 Hz) auf Stress-Reaktionen - Hormesis-Effekt.

New view on the impact of the low-frequency electromagnetic field (50 Hz) on stress responses - hormesis effect.

Original Abstract

Introduction: Low-frequency electromagnetic field (50 Hz) (EMF) can modify crucial neuronal processes. Existing data indicate that exposure to EMF may represent a mild stressor and contribute to disturbances of hypothalamic-pituitary-adrenal (HPA) axis. The important regulatory pathways controlling HPA axis activity include two types of corticosteroid receptors: mineralocorticoid (MR) and glucocorticoid (GR) receptors. There are particularly abundant in the hippocampus, a key locus of HPA axis feedback control. The research aimed at determining whether 1) EMF exhibits hormesis, it means bidirectional action depending on EMF intensity (1 or 7 mT), and 2) repeated EMF exposure changes stress response to subsequent stress factors.

Methods: The exposure (7-day, 1h/day) of adult rats to EMF (1 mT and 7 mT) was repeated 3 times. HPA axis hormones and their receptors were analysed after each following exposure. Moreover, the impact of EMF exposure on hormonal and behavioural responses to subsequent stress factor - open-field test was evaluated.

Results/discussion: Our data suggest that exposure to EMF can establish a new "set-point" for HPA axis activity. The direction and dynamics of this process depend on the intensity of EMF and the number of exposures. EMF of 1 mT induced an adaptive stress response, but 7 mT EMF caused sensitization. Consequently, EMF changed the vulnerability of the organism to a subsequent stress factor. We have also shown the increase of MR mRNA abundance in hippocampus of 1 mT EMF exposed rats, which can represent the possible neuroprotective response and suggest therapeutic properties of electromagnetic fields.

S. Karger AG, Basel.

Exposition:

NF (50/60 Hz)
1; 7 mT

EMF:data Auswertung

Einleitung

Es gibt Hinweise darauf, dass die Exposition durch elektromagnetische Felder (EMF) die Biologie von Säugetieren beeinträchtigt. Vorhandene Daten deuten darauf hin, dass die Exposition gegenüber EMF als leichter Stressor gelten kann. Dies könnte zu Störungen der neuroendokrinen Stresssysteme führen, insbesondere der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA). Die HPA-Achse wird hauptsächlich durch negative Rückkopplungsmechanismen reguliert. Stress veranlasst den Hypothalamus (HYP) zur Ausschüttung des Corticotropin-Releasing-Hormons (CRH), das die Hypophyse durch Aktivierung von CRH-Rezeptoren (CRH-R1) zur Ausschüttung von adrenocorticotrophem Hormon (ACTH) anregt. Freigesetztes ACTH wirkt auf die Nebennieren, um Glucocorticoide (Corticosteron bei Ratten) freizusetzen. Corticosteron (CORT) löst physiologische Reaktionen über zwei Typen nuklearer Rezeptoren aus: Mineralocorticoidrezeptoren (MRs) und Glucocorticoid Rezeptoren (GRs). Beide Rezeptoren sind besonders häufig im Hippocampus (HIP) zu finden. In einigen Fällen sind hohe Dosen chemischer oder umweltbedingter Faktoren für biologische Systeme schädlich, während niedrige Dosen endogene Überlebenssysteme ankurbeln, ein Phänomen, das als Hormese bekannt ist. Folglich können EMF die Anfälligkeit des Organismus für nachfolgende Stressfaktoren und damit für Krankheiten in zwei Richtungen verändern: kompensatorisch oder schädlich. Wichtige Vermittler dieses Phänomens können Kortikosteronrezeptoren, MRs und GRs sein, von denen bekannt ist, dass sie die Funktion des Hippocampus modulieren und die Plastizitätsprozesse in diesem Bereich bestimmen.

Quelle: ElektrosmogReport Februar 2023 | 29. Jahrgang, Nr. 1

Studiendesign und Durchführung

Die Experimente wurden an 179 männlichen Wistar-Ratten mit einer in der Magnettherapie verwendeten Spule als EMF-Quelle durchgeführt. Die Spule und die variable Stromversorgung erzeugten sinusförmige EMF bei 50 Hz und mit Intensitäten von 1 oder 7 mT. Die Ratten wurden für drei Perioden alle 3 Wochen exponiert. Jede Periode umfasste eine 7-tägige Exposition, 1 Stunde pro Tag, bei 1 mT oder 7 mT. Nach jeder Expositionsperiode wurde eine Untergruppe von Ratten aus den exponierten Gruppen durch Enthauptung getötet, um die Auswirkungen einer einmaligen oder wiederholter EMF-Exposition zu bewerten. Der Einfluss von EMF auf die Konzentrationen der Hormone der HPA-Achse und die relative mRNA-Transkriptionshäufigkeit der Rezeptoren in relevanten Gehirnstrukturen, Organen und Geweben wurde bestimmt: CRH im Hypothalamus, CRH-R1 und ACTH in der Hypophyse, MC2R und CORT in den Nebennieren, ACTH und CORT im Plasma sowie MRs und GRs im Hippocampus. Mittels RT-qPCR wurde die relative mRNA-Transkriptionshäufigkeit von GRs, MRs, MC2R und CRH-R1 in den entnommenen Organen bestimmt. Ein Open Field (OF) Test wurde verwendet, um die Reaktion der Tiere auf eine neue, stressige Umgebung zu untersuchen. Bei der OF-Apparatur handelte es sich um einen quadratischen Kasten (100 cm × 100 cm), der von Wänden umschlossen war und in dem eine Halogenlampe über der Mitte als einzige Lichtquelle angebracht war. Gemessen wurde das Verhalten der Fortbewegung in der Nähe der Wände, wobei der zentrale Bereich gemieden wurde; alle Verhaltenssitzungen wurden aufgezeichnet und mit der Software EthoVision 11 ausgewertet.

Ergebnisse

EMF-Exposition veränderte Hormonkonzentrationen der HPA-Achse und Rezeptor-mRNA-Häufigkeit in einer dosisabhängigen Weise. Es gab eine signifikante Auswirkung der EMF-Dosis, wobei ein höheres EMF-Niveau zu einer stärkeren Erhöhung von CORT in den Nebennieren und im Plasma führte (p < 0,001). Obwohl es keinen Effekt der Anzahl der Expositionen gab, wurde ein Trend zu geringeren Reaktionen auf wiederholte EMF-Exposition bei 1 mT festgestellt. Umgekehrt gab es bei dem 7 mT EMF keinen Rückgang von CORT bei wiederholter Exposition. Die EMF-Intensität wirkte sich auf die ACTH-Konzentration im Plasma aus, wobei das höhere EMF-Niveau eine größere Erhöhung der Hormonkonzentration bewirkte (p < 0,001). In der 1-mT-Gruppe waren die ACTH-Konzentrationen in der Hypophyse nach der ersten und zweiten Exposition signifikant erhöht. Nach der dritten Exposition kam es jedoch zu einer Abschwächung der ACTH-Induktion, und die ACTH-Konzentration ging auf den Kontrollwert zurück. Bei Ratten, die bei einem EMF von 7 mT exponiert wurden, stieg die ACTH-Konzentration mit jeder weiteren Exposition an. Insgesamt war die GR mRNA-Häufigkeit im Hippocampus der EMF-exponierten Gruppen niedriger als die Kontrollwerte mit einem Dosis-Wirkungs-Effekt.
Verhaltensanalyse: Insgesamt war das Aktivitätsniveau bei Ratten, die bei EMF von 7 mT exponiert wurden, höher als bei 1 mT und den Kontrolltieren. Die in den Ecken verbrachte Zeit unterschied sich nicht zwischen der Kontroll- und der 1mT-Gruppe. Ratten, die bei einem EMF von 7 mT exponiert wurden, verbrachten im Vergleich zu den anderen Gruppen signifikant weniger Zeit in den Ecken.

Schlussfolgerungen

Diese Studie zeigt, dass die Auswirkung einer wiederholten EMF-Exposition auf die Aktivität der HPA-Achse von der EMF-Intensität abhängt. Der Anstieg der Hormonkonzentrationen der HPA-Achse bei Ratten, die einem EMF von 1 mT ausgesetzt waren, war nach der ersten EMF-Exposition maximal und wurde mit jeder weiteren Exposition abgeschwächt. Dies könnte einen adaptiven Prozess widerspiegeln, der darauf abzielt, die Aktivität der HPA-Achse als Reaktion auf moderaten Stress zu verringern. Der EMF-induzierte Anstieg der ACTH-Freisetzung ging nur nach der ersten Exposition mit einem parallelen Rückgang der MC2R mRNA-Transkript Abundanz einher. Die Daten deuten auf eine negative Rückkopplung auf die MC2R-Expression hin. Es hat sich gezeigt, dass selbst eine geringe EMF-Intensität (1 mT) eine Stressreaktion der HPA-Achse hervorruft, wenn auch nur relativ schwach und vorübergehend. In der Gruppe, die einer hohen EMF-Intensität (7 mT) ausgesetzt war, waren die Konzentrationen der Hormone der HPA-Achse signifikant höher im Vergleich zur Kontrolle und der niedrigen EMF-Dosis (1 mT), und es gab keine Gewöhnung bei wiederholter Exposition. Diese Ergebnisse stimmen mit anderen Studien überein, die die Unterschiede im Verlauf einer wiederholten Exposition gegenüber einer Art von Stressor in Abhängigkeit von der Intensität des Stressreizes gemessen haben. Eine schwache/mittlere Herausforderung für den Organismus führt zu einer Hemmung der Aktivität der HPA-Achse auf den nächsten zweiten Stimulus als Folge einer Rückkopplungshemmung. Eine wiederholte Exposition mit EMF von 1 mT ruft eine schwache und vorübergehende Stressreaktion hervor. Wenn die Stressreize jedoch intensiv genug sind, kann die  Rückkopplungshemmung außer Kraft gesetzt werden. Die zunehmende Aktivierung der HPA-Achse bei jeder weiteren Exposition mit 7 mT EMF könnte dieses Phänomen widerspiegeln. Diese Studie ist die erste, die eine hormonelle, bidirektionale Wirkung von 50-Hz-EMF bei Wirbeltieren fand: Anpassung bei niedrigem EMF, aber Sensibilisierung bei einer höheren magnetischen Flussdichte. (AT)