Autor(en):
Thill A*, Cammaerts MC, Balmori A.
* Independent Researcher, Brouch, Luxembourg.
Europa
Veröffentlicht in:
Rev Environ Health 2023 [im Druck]
Veröffentlicht: 23.11.2023
auf EMF:data seit 14.03.2024
Weitere Veröffentlichungen: Studie gefördert durch:

Der Hauptautor wurde durch die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation Diagnose-Funk e.V. finanziert.

Schlagwörter zu dieser Studie:
Wirkung auf Tiere
Reviews/Übersichtsarbeiten
zur EMF:data Auswertung

Biologische Wirkungen von elektromagnetischen Feldern auf Insekten: systematischer Review und Meta-Analyse.

Biological effects of electromagnetic fields on insects: a systematic review and meta-analysis.

Original Abstract

Weltweit geht die Zahl der Insekten in alarmierendem Maße zurück. Neben anderen Ursachen spielen der Einsatz von Pestiziden und moderne landwirtschaftliche Praktiken dabei eine große Rolle. Die kumulativen Auswirkungen multipler niedrig dosierter Toxine und die Verteilung von Giftstoffen in der Natur werden erst seit kurzem methodisch untersucht. Bestehende Forschungen weisen auf einen weiteren Faktor anthropogenen Ursprungs hin, der subtile schädliche Auswirkungen haben könnte: die immer häufigere Nutzung elektromagnetischer Felder (EMF) durch vom Menschen geschaffene Technologien. Diese systematische Übersicht fasst die Ergebnisse von Studien zusammen, die die Toxizität elektromagnetischer Felder auf Insekten untersucht haben. Das Hauptziel dieser Übersichtsarbeit ist es, die Beweise für schädliche Auswirkungen der zunehmenden technologischen Infrastruktur auf Insekten abzuwägen, mit besonderem Augenmerk auf Stromleitungen und das Mobilfunknetz. Die nächste Generation von Mobilfunktechnologien, 5G, wird eingeführt, ohne dass sie auf mögliche toxische Auswirkungen getestet wurde. Mit dem Streben der Menschheit nach einer allgegenwärtigen Technologie könnten selbst geringe Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf Organismen schließlich ein Sättigungsniveau erreichen, das nicht mehr ignoriert werden kann. Es wird ein Überblick über die berichteten Wirkungen und biologischen Mechanismen der Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern gegeben, der auch neue Erkenntnisse der Zellbiologie berücksichtigt. Nicht-thermische biologische Wirkungen von EMF auf Insekten sind im Labor eindeutig nachgewiesen, aber nur teilweise im Freiland, sodass die weiteren ökologischen Auswirkungen noch unbekannt sind. Es besteht ein Bedarf an mehr Feldstudien, aber die Extrapolation aus dem Labor, wie es in der Ökotoxikologie üblich ist, lässt bereits auf eine Erhöhung des Bedrohungsniveaus durch Auswirkungen von EMF auf Insekten schließen.

Schlüsselwörter

Elektromagnetische Strahlung | Hochfrequenz | Niederfrequenz | Mobiltelefon | Drosophila | Honigbiene

 

Exposition:

Magnetfelder
NF (50/60 Hz)
HF allgemein
Mobilfunk-Basisstation
Mobiles Internet/WLAN
Schnurlostelefone/DECT
Mobiltelefone
Hochspannungsfreileitung

EMF:data Auswertung

Einleitung

Insekten sind wichtige Bestandteile unserer Ökosysteme und spielen eine wesentliche Rolle bei der Bestäubung, der Zersetzung und der Nahrungskette im Allgemeinen. Ihre Populationen sind jedoch weltweit rückläufig, was Anlass zur Sorge über die möglichen Auswirkungen auf die Umwelt gibt. Faktoren wie der Einsatz von Pestiziden und moderne landwirtschaftliche Praktiken werden als wesentliche Ursachen für den Rückgang der Insektenpopulationen genannt. Die systematische Überprüfung und Meta-Analyse von Thill et al. untersucht die biologischen Auswirkungen von elektromagnetischen Feldern (EMF) auf Insekten und wertet die vorhandene Literatur aus, um potenzielle Risiken im Zusammenhang mit der EMF-Exposition aufzudecken.

Quelle: ElektrosmogReport Mai 2024 | 30. Jahrgang, Nr. 2

Studiendesign und Durchführung

Die Studie verwendete einen systematischen Ansatz, um relevante Literatur über die Auswirkungen von EMF auf Insekten zu sammeln und zu analysieren. Es wurde eine Literaturrecherche in den Datenbanken EMF-Portal, Pubmed und Google Scholar durchgeführt, mit spezifischen Suchbegriffen im Zusammenhang mit Insekten und EMF-Exposition. Die Auswahlkriterien konzentrierten sich auf Studien, die nach 1980 veröffentlicht wurden und den Qualitätsbewertungsstandards entsprachen. Die Ergebnisse der Studien, die die Auswirkungen von EMF auf die Fortpflanzung von Insekten untersuchten, sowie alle Studien von häufig verwendeten EMF-Quellen (d.h. Basisstation, Handy, DECT, Signalgenerator, Spulensystem), wurden mit Hilfe von Meta-Analysetechniken zusammengefasst.

 

Ergebnisse

Insgesamt wurden 587 Studien identifiziert, von denen 130 die Einschlusskriterien für die Übersichtsarbeit erfüllten. 11 Studien wurden als von unzureichender Qualität eingestuft, so dass insgesamt 119 Studien beibehalten und in die Datenextraktion eingeschlossen wurden. Die Mehrheit der Studien konzentrierte sich auf Drosophila Fruchtfliegen (47%) und Honigbienen (31%) und nutzte verschiedene EMF-Quellen für Expositionsversuche. Die Meta-Analyse ergab signifikante Auswirkungen von EMF auf die Reproduktionsergebnisse bei Drosophila oberhalb von 2 V/m (-30%, p < 0,01), und dies auch zum Teil bei niedrigen Feldstärken unterhalb von 2 V/m (-18%, p = 0,026), was auf mögliche Risiken der EMF-Exposition für Insektenpopulationen hinweist. Die Effektstärke der HF-Technologien DECT, Handy, Signalgenerator sowie Basisstation ist sehr ähnlich und liegt bei etwa 1,5 (als Verhältnis der Mittelwerte der bestrahlten Gruppe zur Kontrolle), was einer Erhöhung von Erbschäden um 50%, oder einer Reduktion der Fruchtbarkeit um 33% entspräche, im schlimmsten Fall. Diese Befunde sind allerdings nur statistisch robust (d.h. können als gesichert betrachtet werden) für Handys (p < 0.0001) und DECT-Geräte (p < 0.0001).

Die Trends in der Literatur deuten auf ein wachsendes Interesse an diesem Thema hin und unterstreichen den Bedarf an weiterer Forschung. Die systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse von Thill et al. liefert überzeugende Argumente für die biologischen Auswirkungen elektromagnetischer Felder (EMF) auf Insekten und die zu erwartenden Auswirkungen auf Insektenpopulationen und Ökosysteme:

  • Labornachweise: Studien haben gezeigt, dass EMF-Exposition signifikante Auswirkungen auf die Physiologie und das Verhalten von Insekten in Laborsituationen haben kann. Zu diesen Auswirkungen gehören Störungen der Fortpflanzung, Entwicklungsfehler, verminderte Fruchtbarkeit und erhöhte Mutationsraten.
  • Auswirkungen auf die Praxis: Während Laborstudien wertvolle Erkenntnisse liefern, sind die weiteren ökologischen Auswirkungen der EMF-Exposition auf Insekten in natürlicher Umgebung noch nicht vollständig bekannt. Die Gesamtübersicht legt nahe, dass die Extrapolation von Ergebnissen aus Laborstudien auf Feldbedingungen das Bewusstsein für potenzielle Bedrohungen auf Insektenpopulationen schärfen sollte.
  • Kumulative Auswirkungen: Der Rückgang der Insektenpopulationen wird durch mehrere Faktoren beeinflusst, darunter der Einsatz von Pestiziden, die Zerstörung von Lebensräumen und vermutlich auch die zunehmende Präsenz von EMF durch vom Menschen geschaffene Technologien. Die kumulativen Auswirkungen dieser Stressfaktoren auf die Insektenpopulationen könnten weitreichende Folgen für die Dynamik der Ökosysteme und die biologische Vielfalt haben.
  • Mögliche Auswirkungen: Zu den erwarteten Auswirkungen von EMF auf Insekten gehören Störungen der Bestäubungsprozesse, verringerte Fruchtbarkeitsraten, veränderte Verhaltensmuster und ein möglicher Rückgang der Insektenpopulationen. In Anbetracht der wichtigen Rolle von Insekten für das Funktionieren von Ökosystemen könnten negative Auswirkungen auf Insektenpopulationen kaskadenartige Effekte auf die Pflanzenreproduktion, den Nährstoffkreislauf und die Nahrungsketten haben.
  • Bedarf an weiterer Forschung: Die Überprüfung der vorhandenen Literatur unterstreicht den Bedarf an mehr Feldstudien, um die ökologischen Folgen der EMF-Exposition auf Insekten besser zu verstehen.

Schlussfolgerungen

Die Autoren unterstreichen die Bedeutung des Verständnisses der Mechanismen, durch die EMF die Biologie und das Verhalten von Insekten beeinflussen, und betonen die Notwendigkeit fortgesetzter Forschung, um die langfristigen Folgen der EMF-Exposition auf Insektenpopulationen zu bewerten. Insekten sind empfindlicher gegenüber Schadstoffen, einschließlich EMF, als Menschen. Obwohl ökologische Praktiken in Europa auf dem Vormarsch sind, werden wichtige Maßnahmen zum Schutz der Insektenpopulationen, wie das Verbot von Neonicotinoiden und die Reduzierung von Monokulturen, zu langsam umgesetzt. Es wäre hilfreich, wenn das Bewusstsein für die Notwendigkeit proaktiver Maßnahmen zur Minderung potenzieller negativer Auswirkungen künstlicher EMF auf die Biosphäre geschärft würde. (AT)