Schlaf ist eine entscheidende biologische Funktion und Schlafstörungen stellen einen Hauptrisikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselstörungen und vorzeitige Todesfälle dar. Chronische Schlafstörungen beeinträchtigen neurologische Funktionen wie Erinnerungsfunktion, Konzentrationsfähigkeit und weitere höhere kognitive Prozesse. Außerdem stehen sie in engem Zusammenhang mit der Entstehung von Alzheimer. Bei Kindern und jungen Erwachsenen sind Schlafstörungen mit psychischen Erkrankungen, Depressionen sowie schlechten schulischen Leistungen assoziiert. In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Verbreitung von Schlafstörungen signifikant gestiegen. So sind beispielsweise derzeit 4 von 10 Australiern von Schlafstörungen betroffen, was erhebliche Auswirkungen auf soziale, finanzielle und gesundheitsbezogene Belastungen verursacht. Der Anstieg von Schlafstörungen korreliert mit der milliardenfachen weltweiten Verbreitung von Mobiltelefonen. Die Erforschung des Zusammenhanges zwischen hochfrequenten elektromagnetischen Feldern und Schlafstörungen gestaltet sich jedoch schwierig. Epidemiologische Umfragen sind anfällig für Verzerrungen (respondent bias) und erfassen selten klinisch relevante Endpunkte. Experimentelle Studien sollten nach Möglichkeit nicht in Schlaflaboren durchgeführt werden, da die ungewohnte Umgebung an sich den Schlaf beeinträchtigt, insbesondere über eine Nacht. Auch sollten die elektromagnetischen Felder (EMF) durch reale Quellen und nicht synthetisch erzeugt werden, da die Signale sehr variabel sind und ein ständiger Wechsel von Intensität und Wellenformen stattfindet, wodurch sie biologisch aktiver werden. Das Ziel der hier präsentierten Studie war es die Auswirkungen von Hochfrequenzfeldern in einer realen Umgebung (handelsübliches Babyfon im eigenen Schlafzimmer) auf klinisch relevante Schlafparameter von gesunden Erwachsenen zu untersuchen.
Bei dieser Pilotstudie handelt es sich um eine vierwöchige, randomisierte doppelt verblindete Crossover-Studie mit 12 gesunden Erwachsenen (3 Männer, 9 Frauen). Nach einer einwöchigen Eingewöhnungsphase wurden die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, um entweder einem eingeschalteten oder ausgeschalteten (Scheinbefeldung) Babyfon für 7 Nächte ausgesetzt zu werden. Nach einer einwöchigen Ausschleichung, wurde bei den bislang scheinbefeldeten Probanden das Babyfon eingeschaltet und umgekehrt. Das genutzte Babyfon besaß eine Sendeleistung von 15 dBm und verwendete einen Frequenzbereich von 2,4 bis 2,4835 GHz mit Frequenzmodulation zur Vermeidung von Interferenzen. Monitor- und Kameraeinheit wurden, je nach Aufteilung des Schlafzimmers, innerhalb eines Abstandes von 2 m vom Kopfende der Probanden platziert. Die Dosimetrie ergab Feldstärken zwischen 2,2 und 7 mW/m², was deutlich unter den ICNIRP Grenzwerten für Fernfelder von 10 W/m² liegt. Durch Messungen wurde garantiert, dass das elektromagnetische Hintergrundrauschen unterhalb von 0,1 µT für Magnetfelder bzw. 0,02 mW/m² für hochfrequente EMF lag. Um die subjektive Schlafqualität zu beurteilen wurde die „Pittsburgh Insomnia Rating Scale“ (PIRS-20) verwendet. Objektive Schlafmessungen wurden mittels tragbaren Schlafmonitoren (Polysomnographie, PSG) bzw. Handgelenk-Aktigraphie in Kombination mit einem Schlaftagebuch durchgeführt. Außerdem wurde die Herzfrequenzvariabilität (HRV) gemessen.
Die PIRS-20 ergab eine statistisch signifikante Verschlechterung der Schlafqualität der befeldeten Probanden im Vergleich zur Placebo-Exposition. Drei Teilnehmer (27,3 %) lagen oberhalb des Grenzwertes von 20 für das Risiko einer klinischen Schlafstörung. Auch das EEG wies eine statistisch signifikante Veränderung der befeldeten Probanden im Vergleich zu den schein-befeldeten auf. Die EEG-Leistungsdichte der höheren Frequenzen (Theta-, Beta- und Gammabänder) nahm während des NREM-Schlafs (Non-Rapid-Eye-Movement) signifikant zu. Während des REM-Schlafs wurden keine statistisch signifikanten Veränderungen beobachtet. Bei der HRV und Aktigraphie wurden ebenfalls keine Unterschiede zwischen den beiden Probandengruppen festgestellt. Aufgrund technischer Probleme fiel die Aktigraphie bei 4 Probanden (n = 8) und die PSG bei 2 Probanden (n = 10) aus. Da ein Proband in der vierten Woche Erkältungssymptome zeigte, wurden dieser bei den PIRS-20-Daten nicht berücksichtigt (n = 11).
Trotz der geringen Probandenzahl wurden statistisch signifikante Daten erzeugt, die sowohl auf eine subjektive als auch eine objektive Verschlechterung der Schlafqualität bis hin zu klinischen Schlafstörungen hindeuten. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass im Vergleich zum Hintergrundrauschen eine große Effektstärke (d = 0,75) vorhanden ist. Die Autoren beschreiben kritisch Stärken und Schwächen der Studie. Das grundsätzliche Design heben sie positiv hervor, die geringe Probandenzahl sowie technischen Schwierigkeiten, welche zu einer noch geringeren Anzahl auswertbarer Datensätze führten (n = 8 – 12) werden jedoch klar negativ benannt. Eine Folgestudie mit mehr Probanden könnte mögliche Wirkungen mit geringerer Effektstärke feststellen. (Eine Einordnung der Ergebnisse der vorgestellten Studie in die vorhandene wissenschaftliche Literatur gestaltet sich schwierig, da die meisten Studien die Auswirkungen von Mobilfunk auf den Schlaf anhand von kurzfristigen Befeldungen, unter simulierten Laborbedingungen oder anhand von epidemiologischen Erhebungen bewerten. Mehrere Übersichtsarbeiten (Hamblin & Wood, 2002; Rubin et al., 2011; Zhang et al., 2017, siehe ganz unten unter 'Themenbezogene Studien') kommen jedoch zu dem Schluss, dass Mobilfunk in der Lage sein kann, selektive EEG-Leistungsbänder zu beeinflussen, wenn die Befeldung unmittelbar vor oder während des Schlafes vorgenommen wird, Anm. d. Red.) (RH)
Hamblin DL, Wood AW. (2002): Effects of mobile phone emissions on human brain activity and sleep variables. International Journal of Radiation Biology, 78(8), 659–669. https://doi.org/10.1080/09553000210132298
Rubin GJ, Hillert L, Nieto-Hernandez R, van Rongen E, Oftedal G. (2011): Do people with idiopathic environmental intolerance attributed to electromagnetic fields display physiological effects when exposed to electromagnetic fields? A systematic review of provocation studies. Bioelectromagnetics, 32(8), 593–609. https://doi.org/https://doi.org/10.1002/bem.20690
Zhang J, Sumich A, Wang GY. (2017): Acute effects of radiofrequency electromagnetic field emitted by mobile phone on brain function. Bioelectromagnetics, 38(5), 329–338. https://doi.org/https://doi.org/10.1002/bem.22052