Serbian Ministry of Education, Science and Technological Development, Contract 451-03-68/2020-14/200007.
Die Entstehung und Evolution des Lebens auf der Erde sind verwoben mit dem Vorhandensein des Erdmagnetfelds. Vielfältige Studien bezeugen biologische Wirkungen von künstlichen statischen oder niederfrequenten (z.B. 50-Hz-Netzfrequenz) magnetischen Feldern (MF) auf Lebewesen, unter anderem auch auf die Physiologie und das Verhalten von Insekten. Physiologische Prozesse wie Fortpflanzung, Embryogenese, Metamorphose, Bewegung und Flug benötigen einen steten Vorrat an Energie. Insekten nutzen für schnellen Zugang auf gespeicherte Energie, in der Form von Fett und Stärke, ähnliche Prozesse wie sie von Wirbeltieren bekannt sind. Der Fettkörper der Insekten ist der Leber und den Adipozyten der Wirbeltiere gleichwertig. Der Zucker Trehalose ist der Hauptenergiegeber, und wird aus Stärke (Glykogen) abgeleitet. Dieser Prozess wird gesteuert durch den aktivierenden Neurotransmitter Octopamin und ein insulin-ähnliches energiemobilisierendes Hormon (Bombyxin). Frühere Untersuchungen haben eine Auswirkung künstlicher MF auf die Fortbewegung von Insekten belegt. Die vorliegende Studie untersucht genauer die Auswirkungen verschiedener MF auf die Fortbewegung, und vergleicht diese mit gemessenen Indikatoren des Stoffwechsels.
Einmonatige Nymphen von Blaptica dubia (argentinische Waldschabe) wurden einem statischen Magnetfeld (SMF, 110 mT) oder niederfrequenten MF (NFMF, 50 Hz, 10 mT) für 5 Monate ausgesetzt. Argentinische Waldschaben sind vergleichsweise sehr langlebige Insekten: die Nymphe benötigt 6 Monate, um sich zum erwachsenen Tier zu entwickeln, und die Adulten leben bis zu weitere 2 Jahre. Für die Exposition wurde ein Permanentmagnet (Raytheon Model 6002) und eine eigens angefertigte Helmholtzspule verwendet. Nach Verlauf von 5 Monaten wurde die Fortbewegung im "Open-Field"-Test 10 Minuten lang beobachtet und als zurückgelegte Strecke (Meter), Zeit in Bewegung (Sekunden) und Durchschnittsgeschwindigkeit beim Bewegen (m/s) ausgedrückt. Hierfür wurden die Nymphen in 8,5 cm Petrischalen gesetzt und per Digitalkamera gefilmt. Die Auswertung wurde mit der Any-maze Verhaltens-tracking-Software durchgeführt. Anschließend wurden die Fettkörpermasse und der Gehalt an ihren Hauptbestandteilen (Glykogen und Gesamtfette) bestimmt. Die Körpermasse der Nymphen wurde ebenfalls 1 und 5 Monate nach Beginn des Experiments gemessen.
Die Körpermasse der Nymphen war unverändert nach einmonatiger Exposition, für beide MF-Behandlungen jedoch signifikant reduziert nach fünfmonatiger Exposition, im Vergleich zur Kontrolle. Das Gewicht der Fettkörper war ebenso reduziert am Ende des Experiments, jedoch statistisch signifikant nur für die NFMF-Gruppe. Chronische Exposition der Nymphen beeinflusste auch den Glykogen- und Gesamt-Lipidgehalt. Das Glykogen war signifikant reduziert für die SMF wie auch die NFMF-Gruppe. Im Gegensatz hierzu war der Gesamt-Lipidgehalt signifikant erhöht in der SMF-Gruppe, jedoch signifikant reduziert in der NFMF-Gruppe. Zudem wurde verändertes Bewegungsverhalten von Blaptica dubia-Nymphen nach chronischer Exposition festgestellt, für beide Typen von benutzten MF. Sowohl in der SMF- als auch in der NFMF-Gruppe waren alle drei untersuchten Parameter der Fortbewegung signifikant erhöht im Vergleich zu den Werten der Kontrollgruppe. Die Steigerungen waren höher in der NFMF-Gruppe, unterschieden sich aber nicht signifikant von den Werten der SMF-Gruppe.
Das Konzept der energetischen Reorganisation unter Stress postuliert die Umverteilung von Energie und die Modulation des Energiebedarfs für kompensatorische Stressreaktionen. Der chemische Energiespeicher der Insekten wird für drei Arten von physiologischen Prozessen benötigt: Biosynthese (Reproduktion, Wachstum, Energieeinlagerung usw.), Aufrechterhaltung von Funktion und Struktur sowie externe Arbeit. Unter Stressbedingungen wird der Energieaufwand, der dem Überleben dient, vorrangig. Der Fettkörper ist das Zentrum des Energiestoffwechsels bei Insekten. Bei Insekten sind Lipide das Hauptenergiesubstrat für langfristige Extremsituationen. Der Energiegehalt von Fetten ist wesentlich höher als der von Glykogen (acht- bis neunmal mehr Energie pro Masseneinheit). Nach Kooijman (2000) werden unter Stressbedingungen die Energiespeicher langsam erschöpft. Die Autorin der vorliegenden Arbeit fand signifikant niedrigere Körpermassen nach chronischer Exposition mit SMF oder NFMF, aber eine niedrigere Fettkörpermasse nur nach chronischer Exposition mit NFMF. Dies deutet darauf hin, dass in der SMF-Gruppe die Energiezufuhr wahrscheinlich ähnlich hoch war wie der Energieverbrauch und die Energiedepots daher nicht erschöpft wurden. Im Gegensatz dazu überstieg in der NFMF-Gruppe der Energiebedarf (Fortbewegung, höhere Stoffwechselrate, Stresskompensationsreaktionen usw.) die Energiezufuhr und das daraus resultierende Defizit wurde durch die Nutzung der Fettkörpermasse gedeckt. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Nymphen von Blaptica dubia anfälliger für die Auswirkungen der NFMF sind als die der SMF, doch sind weitere Untersuchungen erforderlich, um diese Annahme zu bestätigen. Diese Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass unter dem durch SMF ausgelösten Stress ein Gleichgewicht zwischen Energieproduktion und -verlust bestand, während im Falle von NFMF der Energieverbrauch im Vordergrund stand, was zur Erschöpfung der Energiedepots führte, die hier als reduzierte Fettkörpermasse beobachtet wurde. Blaptica dubia-Nymphen scheinen empfindlich auf angewandte (künstliche) MF zu reagieren und unterschiedliche Strategien der Brennstoffnutzung als Reaktion auf SMF und NFMF zu nutzen, um den Energiebedarf zu befriedigen und Stresssituationen zu überwinden. (AT)