Author(s):
Panagopoulos DJ*, Karabarbounis A, Yakymenko I, Chrousos GP.
* Laboratory of
Health Physics, Radiobiology and Cytogenetics, Institute of Nuclear
and Radiological Sciences and Technology, Energy and Safety, National
Center for Scientific Research ‘Demokritos’, Patr. Grigoriou E’ and
27 Neapoleos Street, Agia Paraskevi, 15310 Athens.
Greece
Published in:
Int J Oncol 2021; 59 (5): 92
Published: 01.11.2021
on EMF:data since 05.12.2021
Further publications:
Keywords for this study:
DNA damage  |  (Oxidative) stress response
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Human-made electromagnetic fields: Ion forced-oscillation and voltage-gated ion channel dysfunction, oxidative stress and DNA damage (Review).

Original Abstract

Exposure of animals/biological samples to human‑made electromagnetic fields (EMFs), especially in the extremely low frequency (ELF) band, and the microwave/radio frequency (RF) band which is always combined with ELF, may lead to DNA damage. DNA damage is connected with cell death, infertility and other pathologies, including cancer. ELF exposure from high‑voltage power lines and complex RF exposure from wireless communication antennas/devices are linked to increased cancer risk. Almost all human‑made RF EMFs include ELF components in the form of modulation, pulsing and random variability. Thus, in addition to polarization and coherence, the existence of ELFs is a common feature of almost all human‑made EMFs. The present study reviews the DNA damage and related effects induced by human‑made EMFs. The ion forced‑oscillation mechanism for irregular gating of voltage‑gated ion channels on cell membranes by polarized/coherent EMFs is extensively described. Dysfunction of ion channels disrupts intracellular ionic concentrations, which determine the cell's electrochemical balance and homeostasis. The present study shows how this can result in DNA damage through reactive oxygen species/free radical overproduction. Thus, a complete picture is provided of how human‑made EMF exposure may indeed lead to DNA damage and related pathologies, including cancer. Moreover, it is suggested that the non‑thermal biological effects attributed to RF EMFs are actually due to their ELF components.

Keywords

DNA damage | EMF | OS | ROS | VGICs | cancer | free radicals | ion forced‑oscillation

Exposure:

EMF, general

EMF:data assessment

Summary

Die Exposition von Tieren/Zellen gegenüber von menschgemachten elektromagnetischen Feldern (EMF), insbesondere im extrem niederfrequenten Bereich („extra low frequency“, ELF, z.B. 50-Hz-Netzstrom) und im Mikrowellen-/Funkfrequenzbereich, der immer mit ELF kombiniert ist, kann zu DNS-Schäden führen. DNS-Schäden werden mit Zelltod, Unfruchtbarkeit und anderen Krankheiten, einschließlich Krebs, in Verbindung gebracht. Die ELF-Belastung durch Hochspannungsleitungen und die komplexe HF-Belastung durch drahtlose Kommunikationsantennen/-geräte sind mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden.

1. Biophysikalische Wirkung von polarisierten/kohärenten EMF an spannungsgesteuerten Ionenkanälen („voltage gated ion channel“, VGIC)

Panagopoulos hatte schon im Jahre 2000 den Mechanismus der erzwungenen Ionen-Oszillation vorgeschlagen, der in der Zwischenzeit durch Neuveröffentlichungen mehrfach verfeinert wurde. Die Grundidee ist, die Kräfte zu berechnen, die gebraucht werden, um den Spannungssensor eines VGIC zu aktivieren. Aus der (Neuro-)Biologie sind die hierbei vorliegenden typischen Membranpotenziale bekannt, die durch unterschiedliche Ionenkonzentration dies- und jenseits einer Zellmembran entstehen. Verschiedene andere Forscher haben versucht, die Kräfte eines anthropogenen EMFs am VGIC zu berechnen, entweder unter Annahme, dass Ionen oder Wassermoleküle im Kanal zum Schwingen angeregt werden. Panagopoulos schlägt eine andere Dynamik vor, und zwar, dass Ionen in der direkten Nähe des (außen-liegenden) Spannungssensors des Kanals durch ein äußeres EMF zum „Mitschwingen“ angeregt werden und berechnet die Kraft und EMF-Charakteristika, die ausreichen sollten, um ein VGIC zu aktivieren. Der Mechanismus basiert auf molekularen und physikalischen Daten unter Berücksichtigung der Kräfte, die durch ein angelegtes polarisiertes oszillierendes EMF auf mobile Ionen in der Nähe der Spannungssensoren der VGICs ausgeübt werden. Das oszillierende Feld zwingt die beweglichen Ionen, auf parallelen Ebenen und in Phase mit dem EMF zu schwingen.

Die meisten Kationenkanäle (u. a. Ca2+, K+, Na+ und H+) in den Membranen aller tierischen Zellen sind spannungsgesteuert. Diese Ionenkanäle wechseln zwischen offenem und geschlossenem Zustand, was als „Gating“ bezeichnet wird. Polarisierte/kohärente EMF im niederfrequenten ELF-Band bewirken, selbst bei sehr geringen Feldstärken, durch erzwungene Ionen-Oszillation ein unregelmäßiges Gating von elektrosensiblen Ionenkanälen oder VGICs, was zu einer Störung des elektrochemischen Gleichgewichts der Zelle führt. Dieser Mechanismus erklärt die biologischen Wirkungen der großen Mehrheit der vom Menschen verursachten (polarisierten und kohärenten) EMF – da alle technisch genutzten HF-EMF im ELF-Band gepulst und/oder moduliert sind, oder zumindest ELF-Komponenten in ihrem Signal aufweisen.

Die Gültigkeit des vorgeschlagenen Mechanismus wurde durch numerische Tests überprüft, während andere zuvor vorgeschlagene Mechanismen denselben Test nicht bestanden haben.

2. Biochemische Prozesse, die durch unregelmäßiges Gating von VGICs aktiviert werden

Wiederholtes unregelmäßiges Gating von elektrosensiblen Ionenkanälen stört das zelluläre elektrochemische Gleichgewicht und die Homöostase, was zu einer Überproduktion von reaktiven Sauerstoffspezies („reactive oxygen species“, ROS) bzw. freien Radikalen führt.

Eine Überproduktion von ROS in lebenden Zellen aufgrund von EMF-Exposition ist zuverlässig dokumentiert, wobei zwei wichtige ROS, die nach EMF-Exposition gefunden wurden, Superoxidanionen und Stickstoffoxid sind. Diese können entsprechend zu Hydroxylradikalen (OH-) und Peroxynitrit (ONOO-) führen, wobei beide ROS sehr reaktiv mit biologischen Molekülen und insbesondere mit der DNS sind. Das Superoxidanion-Radikal (O2--) wird von Superoxiddismutase-Enzymen im Zytosol oder in den Mitochondrien katalysiert und in Wasserstoffperoxid (H2O2) umgewandelt. OH- gilt als das stärkste Oxidationsmittel für DNS. Der wichtigste Mechanismus für die OH--Produktion ist die durch Eisen katalysierte Umwandlung von H2O2 über die Fenton-Reaktion.

DNS-Schäden durch ROS, die zu Mutationen und Krankheiten führen, sind gut erforscht.
Es ist bekannt, dass der intrazelluläre Redoxstatus Ca2+-, Na+- und K+-Kanäle aktivieren kann, um die Homöostase wiederherzustellen, und dass umgekehrt die Aktivierung dieser Kanäle den Redoxstatus und das elektrochemische Gleichgewicht der Zelle bestimmt. In mehreren Studien wurden Zusammenhänge zwischen einer gestörten Funktion von Kalzium-, Kalium-, Natrium- und Chloridkanälen und der Entstehung von oxidativem Stress und verwandten Pathologien festgestellt.

Eine Veränderung der intrazellulären Ionenkonzentration wirkt sich auf wichtige zelluläre Signalwege aus, darunter das Ca2+-Signalsystem, das eine Vielzahl von Zellfunktionen wie Zellproliferation, Differenzierung, das ROS-Regulationssystem und Apoptose reguliert. Eine gestörte Funktion der spannungsgesteuerten Kalziumkanäle im Plasma oder in den Mitochondrienmembranen, ist mit Pathogenese und Zytotoxizität verbunden. Ein erhöhter Ca2+-Gehalt in den Mitochondrien führt zur Aktivierung der Stickstoffmonoxid-Synthase, um mehr NO- zu erzeugen. NO- hemmt den Komplex IV der Elektronentransportkette, was die Produktion von noch mehr ROS auslöst. Die Regulierung der Apoptose ist entscheidend für die Krebsbekämpfung. Eine übermäßige Apoptose, die durch erhöhte ROS-Konzentrationen ausgelöst wird, steht jedoch im Zusammenhang mit Entzündungskrankheiten und Krebs.

Neben der Wirkung von EMF auf die spannungsgesteuerten Kanäle für metallische Kationen (wie Ca2+, Na+ und K+) werden auch die spannungsgesteuerten Kanäle für Protonen (H+) beeinträchtigt. Dies wiederum beeinflusst die Funktion der NADPH-Oxidase, einem Enzym, das normalerweise ROS zur Beseitigung eindringender Mikroorganismen erzeugt.

Eine beeinträchtigte Funktion der spannungsgesteuerten Na+-, K+-, Mg2+- und Ca2+-Kanäle kann auch die Funktion der Na+/K+-Pumpe (ATPase) und der Ca2+-Pumpen in den Plasmamembranen aller Zellen beeinträchtigen. Die Ionenpumpen (aktive Ionentransporter) in allen Zellmembranen bestimmen in Koordination mit den Ionenkanälen (passive Ionentransporter) die Membranspannung, das Zellvolumen und das elektrochemische Gleichgewicht.

3. Diskussion

Nach dem vorgestellten biophysikalischen Mechanismus ist die Bioaktivität eines EMF proportional zu seiner Intensität, umgekehrt proportional zu seiner Frequenz und verdoppelt sich bei gepulsten Feldern. Bedeutende experimentelle Belege zeigen, dass die bioaktiven Parameter in einem komplexen Signal seine ELF-Komponenten sind und dass nicht modulierte und nicht gepulste HF-Signale allein in der Regel keine biologischen Wirkungen hervorrufen. Daher legt die vorliegende Studie nahe, dass die überwiegende Mehrheit der nicht-thermischen Wirkungen, die bisher verschiedenen Arten von HF-EMF-Exposition zugeschrieben wurden, in Wirklichkeit auf ihre ELF-Komponenten zurückzuführen sind.

Obschon die mathematisch-physikalische Beweisführung einwandfrei ist, fehlen momentan noch direkte experimentelle Beweise des vorgeschlagenen Mechanismus der erzwungenen Ionen-Oszillation (z.B. welche Ionenkanäle aktiviert werden), und die Abgrenzung zu verwandten Mechanismen (z.B. Radikalpaarmechanismus in Cryptochrom, mit anschließender Aktivierung der VGICs), für die es schon experimentelle Belege gibt, ist noch unklar (Anm. der Red.). Fortschrittlichere Experimente sollten dies jedoch in den nächsten Jahren klären.

Source: ElektrosmogReport Dezember 2021 | 27. Jahrgang, Nr. 4

Conclusions

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es eine klare Abfolge von Ereignissen gibt, die von der unregelmäßigen Steuerung der VGICs durch EMF bis hin zu DNS-Schäden und damit zusammenhängenden Pathologien, einschließlich der Karzinogenese, reicht. (AT)