Author(s):
Bertagna F*, Lewis R, Silva S.R.P., McFadden J, Jeevaratnam K.
* Leverhulme Quantum Biology Doctoral Training Centre, University of Surrey, Guildford, Surrey.
United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland
Published in:
Ann N Y Acad Sci. 2021 Sep;1499(1):82-103
Published: 04.05.2021
on EMF:data since 05.12.2021
Further publications: Studie gefördert durch:

Leverhulme Trust doctoral training centre Grant number DS-2017-079 and the John Jacob Astor Charitable Trust.

Keywords for this study:
Reviews
Go to EMF:data assessment

Effects of electromagnetic fields on neuronal ion channels: a systematic review.

Original Abstract

Many aspects of chemistry and biology are mediated by electromagnetic field (EMF) interactions. The central nervous system (CNS) is particularly sensitive to EMF stimuli. Studies have explored the direct effect of different EMFs on the electrical properties of neurons in the last two decades, particularly focusing on the role of voltage-gated ion channels (VGCs). This work aims to systematically review published evidence in the last two decades detailing the effects of EMFs on neuronal ion channels as per the PRISM guidelines. Following a predetermined exclusion and inclusion criteria, 22 papers were included after searches on three online databases. Changes in calcium homeostasis, attributable to the voltage-gated calcium channels, were found to be the most commonly reported result of EMF exposure. EMF effects on the neuronal landscape appear to be diverse and greatly dependent on parameters, such as the field's frequency, exposure time, and intrinsic properties of the irradiated tissue, such as the expression of VGCs. Here, we systematically clarify how neuronal ion channels are particularly affected and differentially modulated by EMFs at multiple levels, such as gating dynamics, ion conductance, concentration in the membrane, and gene and protein expression. Ion channels represent a major transducer for EMF-related effects on the CNS.

Keywords

brain | electromagnetic fields | electrophysiology | ion channels

EMF:data assessment

Summary

Da die Nutzung von Geräten, welche elektromagnetische Strahlung emittieren, zunimmt, müssen mögliche gesundheitliche Auswirkungen diskutiert werden. Die Belastung mit elektromagnetischen Feldern, sowohl im niederfrequenten Bereich (NF-EMF) als auch im hochfrequenten Bereich (HF-EMF) hat dramatisch zugenommen. Diese elektromagnetischen Felder stammen hauptsächlich aus anthropogenen Quellen, wie z.B. Stromversorgung, spannungsgesteuerten Oszillatoren, Mobilfunkantennen oder Smartphones. Einerseits stehen sowohl NF-EMF als auch HF-EMF im Verdacht, krebserregend zu sein, werden jedoch andererseits bei der Behandlung zahlreicher neurodegenerativer Erkrankungen eingesetzt. Beide Formen der elektromagnetischen Felder beeinträchtigen nachweislich die Physiologie und funktionelle Aktivität von Neuronen. Es wird als wahrscheinlich angesehen, dass die Felder die neuronale Aktivität durch zelluläre Komponenten beeinflussen, welche besonders empfindlich auf die Veränderung ihrer Ladung reagieren. Darunter fallen spannungsgesteuerte Ionenkanäle. Diese Transmembranproteine lassen, in Abhängigkeit der Ladung, Ionen durch die Zellmembran passieren. Bekannte Vertreter sind z.B. spannungsgesteuerte Calcium- oder Natriumkanäle. Im zentralen Nervensystem spielen Ionenkanäle eine zentrale Rolle bei einer ganzen Reihe von neurophysiologischen Prozessen, unter anderem bei der Bildung von Aktionspotenzialen und der synaptischen Übertragung. Sie sind dementsprechend von elementarer Bedeutung für die Funktion von Nervenzellen (Anm. d. Redaktion). Es konnte demonstriert werden, dass sowohl akute als auch chronische NF-Befeldung zu einem erhöhten Calciumeinstrom in verschiedene Arten von Neuronen führt. Umgekehrt führen chronische, hochfrequente Felder zu einem verminderten Calciumeinstrom. Allerdings sind die in der Literatur dokumentierten Auswirkungen von EMF oft widersprüchlich. Das Hauptziel dieser Übersichtsarbeit besteht also darin, eine systematische Analyse der dokumentierten Auswirkungen von elektromagnetischen Feldern auf neuronale Ionenkanäle vorzunehmen.

Source: ElektrosmogReport Dezember 2021 | 27. Jahrgang, Nr. 4

Study design and methods

Von ursprünglich 175 recherchierten Studien blieben nach der Qualitätsbeurteilung 21 Studien übrig, welche in dieser Übersichtsarbeit inkludiert wurden. Innerhalb dieser 21 Publikationen wurden am häufigsten niederfrequente EMF mit 50 Hz besprochen, welche bei verschiedenen magnetischen Intensitäten abgegeben wurden. In den meisten Fällen überstiegen die Intensitäten jedoch nicht 1 mT. Die Niederfrequenzstudien untersuchten zu 75% akute oder subchronische Befeldung, während über die Hälfte der Hochfrequenzstudien (33% der Gesamtstudien) chronische Befeldung analysierten. 95% der Publikationen entschieden sich für Zelllinien oder Gewebe von Nagetieren als Versuchsobjekt, wobei die Ratte (Rattus norvegicus) die präferierte Quelle darstellte. 67% der Studien untersuchten Calciumkanäle, 24% Natriumkanäle und 19% Kaliumkanäle (einige Studien erforschten mehr als einen Typ Ionenkanal, Anm. d. Redaktion). In den meisten Fällen wurde die Auswirkung der Befeldung anhand eines Ganzzellansatzes bewertet, anstatt eine Einzelkanal-Konfiguration zu verwenden.

Results

Die Auswirkung akuter NF-Befeldung scheinen vielfältig zu sein. Am häufigsten (42% der Studien zu NF-EMF) wurde ein Anstieg der basalen Calciumkonzentration berichtet. Außerdem wurde eine veränderte Durchlassdynamik von Calciumkanälen festgestellt, welche einen hohen Schwellenwert benötigen. Ebenfalls war die Durchlassdynamik von calciumaktivierten Kaliumkanälen modifiziert. Des Weiteren wurde eine erhöhte Aktivität sowie Membraneinlagerung von Natriumkanälen berichtet. Andererseits zeigten zwei Studien keine Wirkung von akuter Niederfrequenz auf das Calciumgleichgewicht oder die elektrophysiologischen Eigenschaften der Zelle. Bei chronischer Niederfrequenzbelastung mit magnetischen Intensitäten von mehr als 1 mT berichten alle Studien über einen Anstieg der intrazellulären Calciumkonzentration, in Zusammenhang mit einer erhöhten Genableserate sowie Synthese von transmembranen Calciumkanälen. Im Gegensatz dazu scheint akute Hochfrequenzbelastung keine signifikanten Auswirkungen auf neuronale Ionenkanäle zu besitzen. 60% der Studien zu chronischer HF-EMF-Belastung berichten jedoch über eine Abnahme der Calciumkanalbildung. Eine Studie demonstriert veränderte elektrophysiologische Eigenschaften (verändertes Aktionspotenzial: Amplitude nach Hyperpolarisation, Spike-Frequenz, Halbwertsbreite und Frequenz des ersten Spikes) der Neuronen nach chronisch einwirkender Hochfrequenz.

Conclusions

Die Ergebnisse dieser Übersichtsarbeit lassen den Rückschluss zu, dass sowohl niederfrequente, als auch hochfrequente elektromagnetische Felder Ionenkanäle in vielerlei Hinsicht beeinflussen können. Dies beinhaltet ihre Bildung (Expression), ihre Durchlassdynamik sowie ihre Insertion in die Membran. Laut den Autoren könnte eine Zunahme (NF-EMF) bzw. Abnahme (HF-EMF) der Ionenkanaldichte in den Zellmembranen der Neuronen, den veränderten Ionenfluss und damit eine Reihe von Sekundäreffekten erklären. Zu diesen Sekundäreffekten zähle unter anderem Aktivierung von Autophagie-Signalwegen, veränderte Spikefrequenzen und Aktionspotenzialfeuerungen, sowie veränderte Vesikel-Endozytose und synaptische Plastizität. Da die veränderte Expression der Ionenkanäle jedoch Zeit benötigt, können diese Mechanismen nicht die Auswirkungen akuter Befeldung erklären. Es sei also wahrscheinlich, dass die Spannungserkennung sowie Durchlassdynamik der Ionenkanäle beteiligt sind. Zusammenfassend scheint es also der Fall zu sein, dass die Auswirkung elektromagnetischer Felder auf Ionenkanäle auf mehreren Ebenen stattfindet. Zum einen durch die rasche Modifikation der Transportdynamik und zum anderen durch Veränderungen der Expression auf Gen- und Proteinebene sowie der Dichte in der Membran. Als Limitierung ihrer Übersichtsarbeit geben die Wissenschaftler an, dass die vielen Variablen der jeweiligen Versuchssetups (z.B. physiologischer Zellzustand, Entwicklungsstadium, physikalische Eigenschaften der Felder) die Reproduzierbarkeit der Studien behindern und oftmals keinen konsistenten Vergleich zwischen den Studien zulassen. Trotz der teils kontroversen Ergebnisse schließen die Autoren auf eine signifikante Korrelation zwischen elektromagnetischen Feldern und vielfältigen Veränderungen in den elektrophysiologischen Eigenschaften von neuronalem Gewebe. Eine verbesserte experimentelle Reproduzierbarkeit sowie neue experimentelle Verfahren seien der Schlüssel zu jeglichem Fortschritt in diesem Bereich und der Frage, ob elektromagnetische Felder schädlich sind und welches therapeutische Potenzial sie besitzen. (RH)