Author(s):
Hinrikus H*, Lass J, Bachmann M.
* Tallinn University of Technology, Tallinn.
Estonia
Published in:
Int J Radiat Biol 2021; 97 (11): 1505-1515
Published: 23.08.2021
on EMF:data since 25.02.2022
Further publications: Studie gefördert durch:

Estonian Center of Excellence in IT (EXCITE) funded by the European Regional Development Fund.

Keywords for this study:
Brain activity & EEG
Reviews
Go to EMF:data assessment

Threshold of radiofrequency electromagnetic field effect on human brain.

Original Abstract

Purpose:  This review aims to estimate the threshold of radiofrequency electromagnetic field (RF EMF) effects on human brain based on analyses of published research results. To clarify the threshold of the RF EMF effects, two approaches have been applied: (1) the analyses of restrictions in sensitivity for different steps of the physical model of low-level RF EMF mechanism and (2) the analyses of experimental data to clarify the dependence of the RF EMF effect on exposure level based on the results of published original neurophysiological and behavioral human studies for 15 years 2007–2021.

Conclusions:  The analyses of the physical model of nonthermal mechanisms of RF EMF effect leads to conclusion that no principal threshold of the effect can be determined. According to the review of experimental data, the rate of detected RF EMF effects is 76.7% in resting EEG studies, 41.7% in sleep EEG and 38.5% in behavioral studies. The changes in EEG probably appear earlier than alterations in behavior become evident. The lowest level of RF EMF at which the effect in EEG was detected is 2.45 V/m (SAR = 0.003 W/kg). There is a preliminary indication that the dependence of the effect on the level of exposure follows rather field strength than SAR alterations. However, no sufficient data are available for clarifying linearity-nonlinearity of the dependence of effect on the level of RF EMF. The finding that only part of people are sensitive to RF EMF exposure can be related to immunity to radiation or hypersensitivity. The changes in EEG caused by RF EMF appeared similar in the majority of analyzed studies and similar to these in depression. The possible causal relationship between RF EMF effect and depression among young people is highly important problem.

Keywords

Low-level RF EMF | nonthermal model | threshold | linearity | depression

Exposure:

RF, general

EMF:data assessment

Summary

Menschen scheinen hochfrequente elektromagnetische Felder (HF-EMF) von etwa 0,1 V/m Feldstärke, wie sie von Radio- und Fernsehsendern seit vielen Jahrzehnten abgestrahlt werden, ohne gesundheitlichen Probleme zu vertragen. In den letzten Jahrzehnten hat das Erscheinen der Mobilfunktechnologie die Situation jedoch drastisch verändert. Die Quellen von HF-EMF sind näher an die Menschen herangerückt und die Expositionswerte sind viel höher. Die aktuellen Richtlinien empfehlen Grenzwerte für den Gesundheitsschutz von bis zu 61 V/m (ICNIRP 2020). Hunderte von Studien haben biologische HF-EMF-Wirkungen bei Menschen, Tieren und Zellen bei Expositionsniveaus festgestellt, die weit unter den bestehenden Grenzwerten für den Gesundheitsschutz liegen. Die breite Anwendung von HF-EMF gibt Anlass zur Besorgnis über mögliche Folgen auf die Gesundheit. Die Auswirkungen von HF-EMF auf die bioelektrische Aktivität des Gehirns, die Kognition und das Verhalten, sind in den letzten Jahrzehnten immer wieder thematisiert worden. Die neurophysiologischen Auswirkungen auf den Menschen – insbesondere auf das menschliche Elektroenzephalogramm (EEG) – wurden in vielen experimentellen Studien festgestellt, aber die Ergebnisse sind umstritten.

Source: ElektrosmogReport März 2022 | 28. Jahrgang, Nr. 1

Study design and methods

Das vorliegende Review analysiert die Ergebnisse von veröffentlichten HF-EMF-Studien am Menschen für die 15 Jahre 2007-2021, insbesondere bezüglich des EEG und anderen Messmethoden der Gehirnaktivität oder medizinischen bildgebenden Verfahren (z.B. PET). Die EMF-Portal-Datenbank wurde für die Suche nach Veröffentlichungen verwendet. Die Qualität aller Studien wurde bewertet und die Studien mit Mängeln in den verwendeten Methoden (unzureichende Daten zur Exposition, begrenzte Anzahl von Probanden, falsche Statistiken) wurden ausgeschlossen. Schließlich wurden 76 relevante Studien für die Analyse berücksichtigt.

Results

In der Kategorie Ruhe-EEG wurde in 76,7 % der Studien ein Effekt gefunden (von insgesamt 30 Studien). Am häufigsten wurde von einer erhöhten Alpha-Leistung berichtet (14 Studien). Etwas weniger Studien berichteten über eine erhöhte Beta-Leistung (6 Studien). Eine Verringerung der Alpha-Leistung wurde nur in zwei Studien verzeichnet, die Beta-Leistung war in einer Studie reduziert. Eine Zunahme der Gamma-Leistung wurde in drei Studien, der Theta-Leistung in einer Studie belegt. Erhöhte Komplexität des EEG wurde in drei Studien festgestellt. Diese Verteilung der berichteten Effekte ist offensichtlich auf die Eigenschaften des EEG im Ruhezustand zurückzuführen: bei geschlossenen Augen ist das Alpha-Band (8–12 Hz) des EEG viel stärker ausgeprägt als alle anderen Hirnströme. Daher sind die Veränderungen der Alpha-Leistung leichter nachweisbar.

In der Gruppe Schlaf-EEG und Schlafqualität fanden 41,7 % der Studien einen Effekt. Eine Positronen-Emissions-Tomographie (PET)-Studie zeigte signifikante Veränderungen des Glukosestoffwechsels im Gehirn und dessen Anstieg in der Region, die der Antenne am nächsten ist. Eine weitere PET-Studie zeigte eine reduzierte zerebrale Stoffwechselrate von Glukose in dem Bereich nahe der Antenne/des Mobiltelefons. Die Exposition hatte keinen Einfluss auf die Aufgabenleistung (Reaktionszeit, Fehlerrate) laut psychologischen Tests.

Nur eine Studie berichtete quantitative Daten über Veränderungen bei zwei verschiedenen Expositionsniveaus. Unter dem höheren SAR-Wert 0,303 W/kg (24,5 V/m) wurden Erhöhungen in den EEG-Frequenzbändern Beta2 (157%), Beta1 (61%) und Alpha (68%) festgestellt. Bei der niedrigeren SAR 0,003 W/kg (2,45 V/m) wurde nur ein Anstieg im Beta2-Frequenzband (39 %) beobachtet. Die relative Abnahme des Effekts ist recht nah an der Veränderung der Feldstärke (10-fach), jedoch nicht des SAR-Werts (100-fach).

Nach den in der vorliegenden Übersicht analysierten Studien war die niedrigste elektrische Feldstärke, bei der eine Wirkung auf das EEG nachgewiesen wurde 2,45 V/m, was einer Leistungsdichte von 15,9 mW/m² entspricht.

Conclusions

Die Analysen in der aktuellen Übersichtsarbeit zeigen, dass die Veränderungen im EEG in der großen Mehrheit der Studien ähnlich sind: Anstieg der Alpha-, Beta- und Gamma-Bänder im EEG sowie eine höhere Komplexität des Signals. Ähnliche Veränderungen im EEG sind charakteristisch für depressive Störungen. Basierend auf diesen EEG-Parametern wurden die quantitativen Maßnahmen zur Erkennung von Depressionssymptomen diskutiert. Die Kausalität zwischen HF-EMF und Depression ist nicht klar. Es ist kompliziert, im Zusammenhang mit erhöhter Nutzung von Mobiltelefonen zwischen der direkten Auswirkung von HF-EMF und psychologischen Faktoren, die manchmal sogar zu Sucht führen, zu unterscheiden.

Depressionen haben sich in den letzten Jahrzehnten zu einer häufigen psychischen Störung mit der höchsten Prävalenz bei Personen zwischen 18 und 25 Jahren (13,1 %) (NIH 2021) entwickelt. Die typischerweise in der Umwelt vorkommenden Werte von HF-EMF haben zugenommen und die Mobilfunk-Nutzung ist intensiver geworden, aber auch die Depressions-Prävalenz bei jungen Menschen im gleichen Zeitraum. Ist dies ein Zufall oder Kausalität?

Die Ergebnisse einiger Studien zeigen, dass bei gleicher HF-EMF-Exposition und gleichen Bedingungen nur ein Teil der Teil der Menschen betroffen ist. Der Anteil empfindlicher Personen variiert zwischen 13% und 31% je nach Modulationsfrequenz. Es ist nicht klar, ob manche Menschen gegen HF-EMF dauerhaft oder nur zeitweise resistent sind. Der Zusammenhang zwischen Resistenz und Überempfindlichkeit ist wichtig für die Interpretation der gesundheitlichen Auswirkungen von HF-EMF. Die Ergebnisse einiger Studien deuten darauf hin, dass HF-EMF-bezogene Veränderungen im neuronalen System (EEG-Signal) viel häufiger sind als im subjektiven Verhalten, und keine Auswirkungen auf die kognitive Leistung gefunden wurden. (Um nicht vorschnell zu entwarnen, sei jedoch darauf hingewiesen, dass neue Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft (McFadden 2021, siehe unten) sehr wohl negative Auswirkungen eines veränderten EEGs mutmaßen lassen, da das EEG vermutlich ein direkter Ausdruck des (Selbst-)Bewusstseins ist. Drogen, welche das EEG verändern, werden allgemein als bewusstseinsverändernde Substanzen bezeichnet (Anm. der Red.).

Die niedrigste Feldstärke, die einen Effekt im EEG verursacht hat, liegt nach den ausgewerteten Studien bei 2,45 V/m, was typischerweise der Feldstärke von Mobiltelefonaten (mit Gerät 20 cm vom Kopf entfernt) oder beim Arbeiten am Laptop (mit aktivem WLAN) entspricht. Künftige, groß angelegte Studien an Mensch und Tier sind erforderlich, um das Ausmaß und die Zuverlässigkeit der experimentell ermittelten Schwelle der HF-EMF-Wirkung zu bewerten. Studien mit systematischen Variationen der Expositionsniveaus (elektrische und magnetische Feldstärken, Leistungsdichte) würden dazu beitragen, das Verständnis voranzubringen. Der Hinweis, dass die durch HF-EMF verursachten EEG-Veränderungen ähnlich denen bei Depression beobachteten verlaufen, bedarf besonderer Aufmerksamkeit. (AT)